Ausflug zum Naschmarkt

Herr Rossi am Naschmakrt

Heute Termine in der Stadt. Die Zweibeiner müssen zum Naschmarkt, Redaktionshund Herr Rossi kommt mit. Das erscheint ihm jedenfalls besser, als im Büro den Kopf auf die Tastatur zu legen und Telefondienst zu machen.

Die Bewegungsfreiheit für einen Hund ist am Naschmarkt größtmöglich eingeschränkt, daher nicht gerade das Traumziel vom großen Schwarzen. Das kennt man ja schon: in den Lokalen Leine, Maulkorb und oberstrenge Zweibeiner, sehr super.

Da findet er es nur fair, sich vorher auch noch ein wenig austauschen zu dürfen mit Seinesgleichen. Am Hundeauslaufplatz gegenüber der Lokal-Meile an der Linken Wienzeile warten bereits Kurzzeit-Bekanntschaften.

Sogleich wird berichtet, bewedelt und emsig beschnüffelt. Es scheint, dass auch deren Zweibeiner sich hier gerne zum Tratschen treffen. Man kennt sich und begrüßt sich teilweise freudig, ohne Geschnüffel halt.

Es ist recht warm, eine jüngere Hundebesitzerin holt aus dem anliegenden Kaffeehaus ein Tablett mit weißen Spritzern. "Aber hallo, da hat wer die Spendierhosen an, danke Schatzerl", freut sich eine betagte Dame mit Zigarette im Mundwinkel und rauchiger Stimme.

Einstweilen die Hunde: das Interesse an den Artgenossen legt sich sehr rasch, offenbar sind die Themen erschöpft und man wartet auf weitere Neuzugänge, die wiederum mit großem Hallo begrüßt werden können.

Ein großer Mischlingshund möchte gerne bei Frauchen auf dem Schoß sitzen. Darf er „heute einmal aber echt nicht jetzt“, dafür wird ein kleiner „Wutzl“ auf die Bank gehoben und kläfft fortan erhaben auf die anderen hinunter. Mit Tipps zur Hundehaltung wird nicht an sich gehalten. Einzelne Hundecharaktere werden ausführlich erklärt und analysiert, so eine Hundekindheit scheint auch nicht immer ganz einfach zu sein.

Die Zuhörer sind sich streckenweise nicht ganz sicher, ob es sich bei der Beschreibung von Essensvorlieben („Ich koch ihm gern a Hendl oder a Rind, weil Schwein soll er ja ned ...“) um die Vorlieben vom Gatten oder vom Hund handelt.

Herr Rossi hat genug gehört und gesehen, er ist jetzt bereit für das nächste Biotop, den Naschmarkt. Zum Thema Essen fällt ihm ein, dass nach Geschäftsschluss etwas Fressbares zu finden sein könnte, bevor die Kehrmaschine kommt.

Der Naschmarkt im 6. Bezirk ist ja nicht nur ein Ort des regen Handels und der Gastronomie, sondern auch eine echte Wiener Sehenswürdigkeit. Er liegt zwischen der Rechten und der Linken Wienzeile und ist der größte innerstädtische Markt der Stadt.

Der Plan des österreichischen Architekten Otto Wagner, den gesamten Wienfluss von der Stadtmitte bis nach Schönbrunn zu überwölben und darauf einen Prachtboulevard zu errichten, ließ sich im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts nur auf 2,1 km Länge realisieren. Auf einem Teil dieser Fläche, zwischen Secession und Kettenbrücke, wurde der Naschmarkt in seiner heutigen Form errichtet.

Für die Ableitung des Namens Naschmarkt gibt es einige Versionen. In früheren Zeiten wurde das Areal als Aschendeponie verwendet, später nannte die Bevölkerung den darauf entstandenen Markt Aschenmarkt. Aus Eschenholz gefertigte Milchbehälter, die auf diesem einstigen Milch- und Bauernmarkt im Einsatz waren, wurden „Asch“ genannt, was eine weitere Erklärung sein könnte.

Belegt ist der Name Naschmarkt ab 1820. Vielleicht waren auch die bereits damals gehandelten exotischen Süßigkeiten wie Datteln oder in Zucker eingelegte Orangen ausschlaggebend für die Bezeichnung.

Heute ist das Angebot am Markt eine Pracht für das Auge und somit auch eine der Touristenattraktionen der Stadt. Morgen für Morgen schlichten die Händler das frische Obst und Gemüse kunstvoll vor ihren Ständen auf.

Oliven, getrocknete Tomaten, Gewürze, gefüllte Datteln, türkische Baklava, asiatische Lebensmittel, italienische Spezereien – es gibt kaum etwas, was man am Naschmarkt nicht bekommt. Mittels auf lange Gabeln aufgespiessten Falafelbällchen versuchen die sogenannten Standler, einzelne Kunden aus dem durch die enge Marktzeile fließenden Menschenstrom zu fischen und in Gespräche zu verwickeln.

Bleibt man einmal stehen und tunkt so ein knuspriges Laibchen in den dazu gereichten Humus, hat der Verkäufer bereits gewonnen. Zu köstlich ist das alles, als dass man ohne Einkauf den Heimweg antreten könnte.

Am Eingang zum Markt findet sich fesch das Marktamt, fast noch hübscher steht daneben im Jugendstil das Majolika-Haus mit seiner wunderschön verfliesten Fassade.  Gleich daneben das große Eck-Haus mit den berühmten goldenen Ornamenten von Koloman Moser und der Ruferin von Othmar Schimkovitz. Eine Pracht, muss sich der Besucher wohl denken.

Der Parkplatz an der Kettenbrückengasse  wird jeden Samstag zum größten Flohmarkt Wiens. Die Standplätze sind so begehrt, das oft bereits ein paar Minuten nach Eröffnung des online-Slots zur Anmeldung  alle Plätze für 6 Wochen im Voraus vergeben sind.

Zu bekommen ist hier alles, Schnäppchenjäger sind meist schon im Morgengrauen unterwegs und längst wieder weg mit ihrer Beute, wenn sich die Massen durch das Angebot von Antiquitäten bis Ramsch wühlen.

Am Flohmarkt war Herr Rossi auch schon, aber das ist nichts für ihn, hat er beschlossen. Da können die Zweibeiner alleine hingehen, zu viel Gewimmel und Gedränge. Dann doch lieber Telefondienst im Büro.

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

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