Eine Tasche ist ein Vehikel

Ina Kent fotografiert von Nini Tschavoll

Name Ina Kent, geboren 1966 in Wien, von Beruf Designerin, wohnt in Wien Neubau


Hinter der Tür Nummer fünfzig in der Wiener Siebensterngasse liegt jener satte Geruch in der Luft, den die meisten Frauen über alle Maßen lieben: der Geruch von Leder. In dem kleinen, puristisch gestalteten Geschäftsraum hängen Umhängetasche, Geldbörsen und Rucksäcke in den unterschiedlichsten Farben und Größen nebeneinander an einfachen Metallstangen.

Ina Kent ist die Gestalterin und Produzentin dieser exklusiven Lederwaren. Gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass die quirlige Wienerin mit den dunklen Augen ihr erstes Geschäftslokal eröffnete. Und wer ein paar Minuten mit ihr verbringt, wird schon bald erkennen, dass diese zierliche Frau eine unglaubliche Power besitzt. Es gibt wohl nichts, was die Unternehmerin und Mutter einer Tochter nicht schaffen würde.

Wer im Ina Kent Store nach ausgefallenen Designs, nach Schnörkel und Verzierungen sucht, wird enttäuscht sein. Hier folgt die Form ausschließlich der Funktionalität. Der Stil der Taschen ist auf das Wesentliche reduziert und zeichnet sich durch Schlichtheit und Wandelbarkeit aus. „Es gibt so viele Alltagsgegenstände, wo ich das Design nicht verstehe und mir denke, warum kann man dies nicht funktioneller UND schöner machen“, so Ina Kent.

Die Taschendesignerin ist Autodidaktin, hat sich das Wissen um die Arbeit mit Leder selbst angeeignet und zunächst Einzelstücke auf dem Wiener Spittelberg und auf Messen verkauft. „Die MOONLIT6, eine kleine Tasche, die es immer noch gibt, verkaufte sich so gut, dass ich kaum mit der Produktion nachkam“, erinnert sich Kent. Doch trotz dieses Erfolgs sollte ihr Weg zunächst eigentlich in Richtung Ernährungswissenschaften gehen. Erst die Geburt ihrer Tochter verhinderte den Abschluss des Studiums und ließ sie beruflich umdisponieren.

In einem winzigen Geschäftslokal in der Wiener Lindengasse gründete sie schließlich 2007 ihr Unternehmen. Ein Jahr später verlagerte sie die Produktion nach Polen, „da bei uns die lederverarbeitende Industrie einfach nicht mehr existiert“, so Kent. „Die Rohstoffe für meine Taschen kommen wiederum aus Italien. Dort gibt es dieses spezielle, sehr hochwertige Leder mit dem ich arbeite, außerdem halten sich die Transportwege in Grenzen.“

2012 wurde das Geschäftslokal mit angrenzendem Büroraum in der Siebensterngasse sowie ein Online Store eröffnet. Im letzten Jahr folgte ein weiterer Shop in der Neubaugasse. In Kürze gibt es zudem eine zweite, gesonderte Taschenlinie, die in einem kleinen Handwerksbetrieb in Pakistan gefertigt wird. „Mittlerweile habe ich zehn Mitarbeiter, die mich unterstützen“, so die Designerin. „Denn man muss bei all dem Alltagsstress schon sehr aufpassen, dass das Kreative nicht verschluckt wird.“ Doch was ist eigentlich das Besondere an einer Ina Kent Tasche?

„Anfänglich wäre es zu teuer gewesen, die Taschen füttern zu lassen, weswegen ich lange mit äußerst simplen Schnitten arbeitete. Die Nachfrage nach einer Innentasche war aber groß, so überlegte ich mir ein System mit einer Innentasche, die sich herausnehmen lässt. Dadurch entstand die MOONLIT6. Mittlerweile sind fast alle meine Taschen gefüttert. Grundsätzlich dürfen sie aber in der Handhabung nicht zu kompliziert werden und vor allem das Design muss einfach bleiben. Ich lege großen Wert auf Qualität, nicht nur beim Leder sondern auch bei den Accessoires, wie zum Beispiel den kleinen Ringen.

Das Besondere an den Produkten ist aber sicher ihre Wandelbarkeit. So kann aus einer Tasche, wie zum Beispiel der Adlib4, die groß genug für ein Notebook ist, im Handumdrehen und durch Zusammenklappen eine handliche Handtasche entstehen, die im Bedarfsfall auch noch als Rucksack getragen werden kann.“

„Die Taschen haben ihren Erfolg in Wien sicherlich dieser Wandelbarkeit zu verdanken“, überlegt Kent. Dies war der Grund, warum man mit seiner Freundin darüber gesprochen hat. Ich glaube, dass die Tasche nur durch dieses „Frauen sprechen mit Frauen“ so bekannt wurde und sich dadurch weiterentwickelt hat.

Grundsätzlich ist eine Tasche ein Vehikel (=Mittel zum Zweck). Der Zweck, für den ich sie benütze, entspricht meinen Notwendigkeiten. Meine Notwendigkeiten sind meine Anforderungen an das Produkt. Die Wandelbarkeit kommt diesem Anspruch sehr zugute. Man hat damit das Gefühl, dass diese Taschen das Leben mitmachen. Diese Tasche ist – im wahrsten Sinne des Wortes – immer an meiner Seite.“

Lässt du dich von Trends beeinflussen? Ich informiere mich relativ wenig über Trends. Ich finde, wenn man sich zu sehr damit beschäftigt, beschneidet man seine Kreativität. Das, was Trend ist, spürt sowieso jede Frau.

Verkaufst du mehr Taschen in deinen Shops oder im Online Store ? Noch verkaufe ich im Geschäft mehr. Der Online-Verkauf beginnt gerade erst zu wachsen.

Was magst du am 7. Bezirk ? Ich lebe hier und bin sogar hier aufgewachsen. Es ist ein Wahnsinn, wie sich dieser Bezirk in den letzten Jahren entwickelt hat. In meiner Jugend in den 80er Jahren gab es nur drei, vier Lokale wie das Amerlingbeisel, die Blue Box und das Europa, die man besuchen konnte. Davor war hier ja gar nichts los! Es war auch kein besonders schicker Bezirk. Aber damals war ja ganz Wien noch sehr öde, mehr wie ein Anhänger des Ostblocks. Heutzutage ist Neubau die einfachste Form für urbanes Leben. Viel besser kann man es kaum treffen.

Welche Geschäfte in der Umgebung kannst du empfehlen? Ich kaufe meine Brillen gerne in der Brillen.manufactur  in der Neubaugasse. Außerdem mag ich all die kleinen Home-Accessoires-Shops in der Stiftgasse und Sigmundgasse wie z. B. das VOLTA  oder L’EPICERIE. Auch das SCHMUCK STÜCK gegenüber mag ich sehr.

Wo kaufst du sonst in der Stadt gerne ein? Ich habe wenig Zeit zum Einkaufen und komme aus dem 7. Bezirk kaum hinaus. Ich muss gestehen, dass ich viel im Internet einkaufe, da ich genaue Vorstellungen von den Dingen habe, die ich möchte. Lebensmittel kaufe ich gerne in den Bioläden der Umgebung.

Wien riecht, schmeckt nach …? Es gibt nur einen Geruch, den ich eindeutig mit Wien verbinde, und das ist der U1-Geruch. Die U1 ist Wien, Schnitzelgeruch findest du überall.

Wo kannst du in Wien gut entspannen? Ich entspanne am besten mit Freunden zu Hause. Außerdem fahre ich sehr gerne an die Donau und in deren Bäder. Aber auch in einem netten Gastgarten in meinem Grätzel kann ich gut abschalten.

Hast du ein Lieblingsbuch? Ich lese T.C. Boyle sehr gerne und fand „Drop City“ toll.

Hast du einen Lieblingssong? Da gibt es viele. Ich liebe all die Singer-Songwriter. Ich wuchs mit Janis Joplin und Neil Young auf und mag diese Musik noch immer sehr. Wenn ich mich konzentrieren muss, höre ich keine Musik, aber wenn ich zu Hause etwas entwerfe, läuft immer Musik im Hintergrund. Hier funktioniert Renaissancemusik oder geistliche Chormusik besonders gut.

Wohin gehst du gerne essen? Sushi hole ich mir immer vom SOSAKU in der Neustiftgasse. Mittagessen kann man gut im St. Josef in der Mondscheingasse, einem vegetarischen Restaurant.

Was magst du besonders an Wien? Ich schätze sehr, dass hier alles so einfach zu erreichen ist. Es gibt in Wien ein hervorragendes Verkehrsnetz und man ist schnell überall, wo man sein möchte. Besser kann man es nicht haben.

Christine liebt Bücher und schöne Dinge und treibt sich leidenschaftlich gerne in Buchhandlungen herum.

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