Vom Klopfbalkon zur Hofoase

Karin Zwerger fotografiert von Nini Tschavoll

Name: Karin Zwerger, geboren 1961 in Süddeutschland im Drei-Länder-Eck zu Frankreich und der Schweiz. Lebt seit 1989 mit Unterbrechungen in Wien, schon lange im 3. Bezirk. Ihr Beruf ist Landschaftsarchitektin


Was die Hofdamen der Habsburger alles sahen, hörten und wussten, beschäftigt HistorikerInnen bis heute. Wenn Hofdame Karin Zwerger ans Werk geht, ist angesichts divergierender Wünsche auf engem Raum ebenfalls diplomatisches Geschick gefragt. Zudem freundliche Beratung und neben einem Sinn für Struktur auch einer für Opulenz. Damit haben sich die Gemeinsamkeiten der Landschaftsarchitektin mit den adeligen Damen des Hofstaates aber auch schon.

Den Namen „Hofdame“ für ihr Planungsbüro mit Fokus auf die Begrünung von Innenhöfen hat ihre älteste Tochter vorgeschlagen: „Karin Zwerger Landschaftsarchitektur war mir zu bieder und bemüht. Außerdem hatte ich Lust, mich als Frau in diesem Beruf sichtbar zu machen. Es ist eine gute Zeit für Frauen, um etwas Eigenes aufzusperren.“

Die dreifache Mutter hat in verschiedenen Büros in Wien und Berlin gearbeitet und an der Universität für Bodenkultur unterrichtet. 2015 gab sie dem lange gehegten Wunsch nach Selbständigkeit nach und läuft in ihrer Arbeit gerade auf dem begrenzten Raum eines schattigen Innenhofs zur Höchstform auf. Oder auf dem gnadenlosen Steppenlebensraum eines Dachgartens.

Die Inspiration für ihren ersten Hof, ihre Pionierbegrünung sozusagen, lieferten die alten Damen im Wohnhaus: „Der Hof ist ein geschützter Raum, der ganz viel Geborgenheit gibt. Das ist mir wichtig. Die Damen waren in ihrer Mobilität eingeschränkt, wollten aber dennoch gerne nach draußen. Am Beginn stand also die Frage: Wie könnte man den Hof so weiterentwickeln, dass er für möglichst viele Bedürfnisse passt?“

An den Innenhöfen reizt sie die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Architektur: „Ich lote aus was der Ort braucht und kann. Ich will das Potenzial dieser vorgeprägten Struktur heben, den Glanz spürbar und sichtbar machen.“

Die verschiedenen Ansprüche auf kleinem Raum fordern Karin Zwerger heraus: Fußballspielen vs. Hängematte, Insektenpanik vs. Blüten, Rankpflanzen vs. zugewachsene Fenster, befestigte Fahrradständer vs. Blumenbeet: „Mir ist völlig klar, dass ich es nicht allen recht machen kann und das will ich auch nicht. Bei mir setzt sich nicht der Stärkste oder Lauteste durch. Meine Gestaltung ist zurückhaltend, unter der Oberfläche präsent, aber nicht vordergründig.“

Oft gibt sie bei der Planung ihrer ersten Assoziation nach, wobei sie stets mehrfach prüft und den Hof zu unterschiedlichen Zeiten besucht, bis sie sich ganz sicher ist. Sie bespricht sich auch mit KollegInnen. Der mangelnden Vorstellungskraft von Menschen in Bezug auf Pläne begegnet sie mit Stimmungsbildern und Worten.

Aufgewachsen ist Karin Zwerger am südlichen Rand des Schwarzwalds mit Blick auf das Schweizer Alpenpanorama, gewohnt an grenzübergreifenden Austausch (Schweizer Schoggi), Kontakt zu verschiedenen Kulturen und starkem Bezug zur Natur: „Wir Kinder sind draußen aufgewachsen, haben im Wald gespielt und in der hohen Wiese Trampelpfade getreten. Ich habe das aufgesogen, war immer froh, wenn ich mit meinen Vater nach dem Regen Schwammerl suchen gehen konnte”, begibt sie sich auf Spurensuche für ihre tief sitzende Leidenschaft. Bis heute geht sie gerne auch bei Regen raus, „ich genieße es - auch wenn es schüttet. Ich mag es, wenn die Erde dampft und es so gut riecht – das ist sehr wohlig.”

Sie wollte Gärten anlegen, Pflanzen eingraben und gestalten, wusste aber als Jugendliche nicht, wo man das lernen kann. Gerade zeitgerecht las Karin Zwerger in der Zeitung das Portrait einer Landschaftsarchitektin und freute sich riesig, „dass es diesen Beruf gibt“. Sie studierte an der bekannten „Grünen Universität“ in Weihenstephan, in der Nähe von München.

Schon während des Studiums pilgerte sie, wie viele Gartenbegeisterte, auf eigene Faust nach England. In Südengland besichtigte sie Landsitze, private, botanische und universitäre Gärten und war sprachlos: „Das Klima ist so mild und feucht, dass die ganze Landschaft zum Garten wird. Die Pflanzen gedeihen – es ist einfach unfassbar üppig und sinnlich.“

Mit langen, wiederholten Aufenthalten und vielen Gesprächen erwies sie sich schließlich als würdig, mit dem Gärtnerstab vor Ort Fachgespräche zu führen und das umfangreiche Wissen anzuzapfen, das dort gehütet wird. Ihr Diplom verfasste sie über den modern-formalen englischen Garten am Beispiel des aufwendig gegliederten Sissinghurst Castle Garden, angelegt von der Autorin („Orlando“), Rosenkennerin und Gartenbotschafterin Vita Sackville-West und ihrem Mann Harold Nicolson*.

Der Garten in Sissinghurst entspricht auch ihrem Credo, dass ein Grünraum, auch wenn er noch so klein ist „eine Struktur braucht UND die Fülle, die Pflanzen reinbringen.“ Ins pannonische Klima von Wien, wo es heiß und frostig werden kann, verschlug es sie nach dem Studium: „Meine Eltern hatten ihre Silberhochzeitsreise hierher gemacht und einen alten Speiseplan mit lauter österreichischen Begriffen mitgebracht. Wer würde nicht an einen Platz kommen wollen, wo es Powidldatschkerln gibt“, fragt sie lachend.

Als sie 1989 die Stadt besuchte, fand sie Gefallen am noch vergleichsweise verstaubten und verschlafenen Wien. Sie stellte ihre Mappe zusammen und suchte im Telefonbuch nach Büros für Landschaftsarchitektur. Es gab damals vielleicht zehn. Karin Zwerger begann bei Maria Auböck zu arbeiten, die sich in dieser Aufbruchszeit etablierte und Pionierarbeit leistete.

Zum Bauboom nach der Wende, als die Bundesregierung von Bonn nach Berlin umzog, arbeitete Karin Zwerger vier Jahre in der deutschen Hauptstadt, wo sich viele internationale KollegInnen einfanden. Sie plante Innenhöfe, Vorgärten aber auch ganze Stadtviertel bis zu ihrer Rückkehr nach Wien 1997.

Innenhöfe sind gerade in der Stadt eine wichtige Ressource, wenn es heißer wird. Hier kann zum einen die Versiegelung des Bodens aufgehoben werden, zum anderen sind sie oft der nächstmögliche Grünraum. Wer keinen eigenen Garten hat und im Sommer nicht aus der Stadt flüchten kann, hat den Hof als grünes Büro oder als Klimaanlage für die hofseitigen Zimmer. Aber Karin Zwerger hat auch schon Damen gesehen, die die Wartezeit fürs Einwirken der Farbe beim Friseur lesend im Hof verbrachten.

Die wichtigste Lektion in der Hofbegrünung? Die Bodensituation und die Lichtverhältnisse muss man gut beachten. Bei der Pflanzenverwendung „geht mir das Herz auf.“ Sie schätzt Blütenstauden, also mehrjährige ausdauernde Pflanzen, die blühen. Sie sind nun auch im „Straßenbegleitgrün“ von Wien öfter zu sehen.

Gibt es für jeden Hof eine Lösung? Ja! Wenn man sich dort aufhalten will, gibt es eine Mindestgröße. Sonst kann man ihn als Schaugarten gestalten. Mir ist wichtig, dass der Raum etwas kann und sich die Menschen dort wohlfühlen. Ich mag auch befestigte Innenhöfe - ich muss nicht alles begrünen. Auch betonierte Oberflächen können eine lebendige Struktur haben, mit Fugen oder als begrünte Fassaden.

Was sind die Herausforderungen bei Dachgärten und Terrassen? Hier geht es grob um die Wahl der richtigen, langlebigen und sturmfesten Gefäße, robuste Pflanzen und Bewässerung. Auf Dach und Terrasse wechseln Kälte und Hitze und es gibt eine Wiener Konstante: den Wind.

Was gibt es nur in Wien? (sieht sich um) Diese lineare Anordnung von Parkbänken am Wegrand. So wie hier im Botanischen Garten. Das Café Aida, wo man an kleinen Tischen Torten isst. Ich liebe es zu beobachten, wenn die Stammklientel ohne viele Worte die gewünschte Kardinalschnitte bekommt. Ich esse am liebsten warme Topfengolatschen und kenne vermutlich wirklich fast alle Aida Filialen in Wien.

Haben Sie ein Wiener Lieblingswort? Zwutschgerl!

Ein Lieblingsort in Wien oder mehrere? Der Botanische Garten ist der Ort zur Entspannung nah an meinem Zuhause. Auf der Donauinsel düse ich gerne mit den Inlineskates herum. Da gibt es ein Oval in der Nähe des Wasserspielplatzes, wo man schnelle Runden fahren kann. Und in die Meierei in Schönbrunn gehe ich gerne mit Besuch.

Wo gehen Sie gerne mit Gästen hin zum Schnitzel essen? Das Cafe Drechsler ist immer noch eine gute Adresse. Ins Gasthaus Wild und die Schöne Perle.

Haben Sie einen Lieblingshof? Habe ich nicht. Ich liebe es, immer neue Höfe zu entdecken. Ich gehe in Häuser rein, wenn sie offen sind und schaue. Im neunten Bezirk gibt es fußballfeldgroße Höfe, die nicht genutzt werden.

Wie schmeckt Wien? Deftig!

Was ist Ihre Botschaft an Wien? Wien hat sich behutsam und wunderschön entwickelt. Man muss jetzt aufpassen, dass es keine Rückschritte macht in Offenheit, Frische und Internationalität. Dass die Menschen wegen der Lebensqualität herkommen: Das wünscht sich doch jede Stadt, das sollte man nicht mutwillig kaputt machen.


* Beim National Trust, der Gärten verwaltet, kann man sich als Volunteer bewerben und ein paar Wochen englische Gärten pflegen. Wer sich in Österreich betätigen will, kann sich als Freiwillige/r bei den Bundesgärten melden.

www.hofdame.at

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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