Mit Sprache spielen macht mich glücklich

Yasmo fotografiert von Nini Tschavoll

Name: Yasmin Hafedh aka Yasmo MC, geboren 1990 in Wien, wohnt in der Josefstadt und arbeitet als freischaffende Künstlerin, Autorin und Musikerin und kuratiert dieses Jahr gemeinsam mit Mira Lu Kovacs das Popfest 2019.


Schon als Kind wollte Yasmin Hafedh Künstlerin werden. Weil sie nicht genau wusste, wie das geht, besorgte sie zunächst Pinsel und Farben. Es stellte sich heraus: Fürs Malen hatte die Wienerin kein Talent. Glücklicherweise entdeckte sie bald darauf die Sprache als Instrument und Werkzeug für sich. Sie schrieb Gedichte und nahm mit 16 an ihrem ersten Poetry Slam teil. Bald rappte sie bei Freestyle Sessions und veranstaltete einen eigenen U20-Bewerb. Heute ist Yasmo MC eine fixe Größe der heimischen Slam- und Rap-Szene: „Kultur hat mich immer interessiert, die Idee mit Musik und Text immer wieder Neues zu erschaffen.“

Das Format Poetry Slam hatte sie sofort gepackt – ein Glück für eine orientierungslose Teenagerin. Was gefällt ihr daran? „Es ist offen und man braucht keine Vorkenntnisse. Es ist leicht auf die Beine zu stellen, demokratisch und inklusiv. Es gibt keine Elite. Alle dürfen kommen, mitmachen oder voten“, erklärt Yasmo.

Mit ihrer Band „Klangkantine“ hat die 27-Jährige ein Album veröffentlicht, das zweite ist in Arbeit. „Yasmo & die Klangkantine“ waren nominiert beim Amadeus Music Award 2018 in der Kategorie Hip Hop/Urban. Da beim Amadeus eher Mainstream, Major Labels, Gangster Rap und viele verkaufte Alben zum Zug kommen, rechnete sie nicht mit einer Trophäe. Die Preisverleihung Ende April nutzte die erste nominierte Frau in der Kategorie Hip Hop ever für ein Statement.

Für den Auftritt versammelte sie eine Menge Frauen auf der Bühne, die „Girls just wanna have fun“ (und gleiche Rechte, gleiche Bezahlung) performten: „Unsere Botschaft war: Seht her! Wir sind da, wir sind viele und wir sind laut. ‚Es gibt ja keine weiblichen Rapper. Wie sollen wir sie da auszeichnen?‘ zieht als Argument 2019 echt nicht mehr“, erzählt Yasmo. So viele Frauen zu versammeln, ist für das gut vernetze Kommunikationstalent kein Problem. Wer in einer neunköpfigen Formation spielt, hat Koordination im kleinen Finger. Wobei die Klangkantine von drei Band-Mitgliedern gemanagt wird.

Der Song „Girls just wanna have fun“ von Cindy Lauper stellte den Anspruch auf gleichen Spaß ohne väterliche Bevormundung: „Ein toller Ohrwurm. Aber ich kann keinen Spaß haben, wenn ich nicht ernst genommen, ungerecht behandelt oder bevormundet werde.“

Yasmo und Die Klangkantine, © Lars Homann

Gleichberechtigung, Diversität und Entfaltung hat sie von Anfang an bei den Slams miterlebt. Und so wie Mieze Medusa als Veranstalterin ihr damals Mut zugesprochen hat, gibt sie die Ermutigung heute an junge Mädchen weiter. Wie geht sie damit um, ein Vorbild zu sein? „Meine Botschaft ist immer: Wissen und reflektieren können ist wichtig! Den jungen Mädchen sage ich, dass sie ihre Zweifel wegpacken, sich nicht entmutigen, sich nicht zu sehr in patriarchale Strukturen einordnen sollen.“  Hörtipp!

Nach einem Auftritt kommen immer wieder Menschen zu ihr, „um über sich zu sprechen. Das ist voll ok. Du gibt ihnen ein Lied und sie interpretieren es für sich. Ich spüre schnell, ob jemand auf dem Egotrip ist oder sich überwunden hat, mich anzusprechen.“ Mieze und Yasmo sind bis heute befreundet und spielen auch gemeinsam als MYLF (mothers you'd like to flow with).

Und wie ist das mit dem Wettbewerb? Geht es nicht darum, der oder die Beste zu sein? „Jein“, sagt Yasmo, „der Wettbewerb ist in erster Linie fürs Publikum da, weil das die Veranstaltung spannend macht. Es geht um Fantum, Favoriten und das Mitfiebern. In der Szene herrscht Solidarität, alle unterstützen einander. Wir haben uns lieb wie in einer Hippiekommune.“

Der Stoff für ihre Texte entfaltet sich unter ihr wichtigen „Schirmgedanken“ wie Menschlichkeit, Politik und Feminismus. Yasmo sieht, hört, beobachtet genau. Selbst Erlebtes oder Beobachtetes, Erzähltes kann dann den Impuls geben oder das Grundsätzliche an einem Beispiel zeigen. Ob Yasmin Hafedh diskriminiert wurde, wollten schon viele von ihr wissen. In der Tat ja,  schon in der Volksschule.

Gemobbt als vermeintliche Piefke, weil ihr die Mutter ein sauberes Hochdeutsch mit auf den Weg gab. Die tunesische Hälfte hat nie jemanden irritiert. Aber sonst gab es alle Klassiker von „Rap ist halt immer noch Männersache“ oder „Techniker erklären dir die Welt, obwohl du seit elf Jahren ein Mikrofon benutzt“. Für goschert sein und dagegen reden ist sie im Zweifelsfall immer zu haben.

Einst verwandelte die Mama für sie „Der kleine Prinz“ in eine unendliche Geschichte. Beim Vorlesen des Lieblingsbuchs staubt jeder Mutter irgendwann der Text aus dem Mund und so erfand Yasmos Mama immer neue Abenteuer. Ihre Eltern legten ihr keine Steine in den Weg: „Mach was du willst, aber mach’ die Matura“, war die Devise von Mama und der Papa erkennt an, dass sie so ihre Miete bezahlt. Seit drei Jahren lebt sie von ihrer Kunst: „Für mich geht das so, aber ich habe keine Familie und kein Auto.“

Irgendwann wird sie auch noch ihr Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften abschließen: „Mein geheimes Ziel ist eine Arbeit zu schreiben, in der ich mich selbst zitiere“, flaxt sie. „Poetry Slam ist für mich die modernste Form von Theater und hat alles, was auf eine Bühne gehört: Unterhaltungswert, mehrere Mikrodramen, die selbst verfasst, selbst inszeniert und selbst performt werden. Und einen roten Faden durchs Programm mit Moderation und Jurybewertung.“

Als sie anfing, gab es einen Poetry-Slam im Monat im „Rhiz“. Mittlerweile gibt es ein Dutzend überall in der Stadt, ob in Off-Theater, Kleinkunstbühne oder Beisln. Einen guten Überblick bietet FOMP. Die Kleinheit der großen Stadt Wien hat ihr sicher dabei geholfen, bekannt zu werden, sich zu vernetzen, sich durchzusetzen: „Wien ist groß, aber ein Dorf.“ Beim WN Slam, der Landesmeisterschaft für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat sie eine Runde moderiert.

Seit sie mit der Band unterwegs ist, verdient sie auch mehr Geld mit Workshops für Jugendliche, mit Auftragstexten zu verschiedenen Anlässen und mit Lesungen: „Ich warte auf die erste Anfrage für einen Workshop aus einem Seniorenheim. Beim Slammen gibt es keine Altersgrenze. Da triffst du Welten und Identitäten, die du sonst in deiner Blase nicht hast.“ Zwischen Szenegröße Tschif Windisch, der 2017 verstorben ist, und ihr lagen 48 Jahre. So gesehen hat sie noch viel Zeit. Für sie steht fest: „Mit ,Ich trau mich nicht …‘ kommst du nicht weit, es ist die Musik, die uns am Herzen liegt.“

Hast du ein Wiener Lieblingswort? Oida!

Hast du ein tunesisches Lieblingswort? Mein Lieblingswort auf Arabisch ist „da kurdu“, die arabisierte Form von d’accord. Ich mag es, wenn Sprache herumwandert.

Dein Wiener Lieblingsort? Die Mölkerbastei. Das ist so ein toller Ort: zwei dörfliche Straßen, der letzte Rest Stadtmauer, rundherum Ring und imperiale Innenstadt. Dort setze ich mich manchmal mit einem Kaffee hin. Nur die Bank haben sie weggenommen, jetzt muss ich auf den Stiegen sitzen.

Wo entwickelst du Ideen? Ich gehe spazieren, einfach wo die Nase mich hinführt, da bin ich ganz in Gedanken.

Wo entspannst du gerne? Immer noch im Burggarten, das ist mir noch von der Schule geblieben.

Was gibt es nur in Wien? G'scheiten Kaffee, aber wirklich! Außer natürlich auch in Italien. Ich bin viel in Deutschland und ich mag kein braunes Wasser. Als ich einen Monat in New York war, habe ich meine Kaffeemaschine mitgenommen.

Hast Du ein Wiener Lieblingsgericht? Nicht so.

Hast Du ein tunesisches Lieblingsgericht? Couscous, auf tunesische Art: Die Hirse wird über einem Topf mit Sauce den ganzen Tag gegart.

Wie klingt Wien? Raunzig!

Wie schmeckt Wien? Nach Wein und Kaffee.

Gehst du gerne shoppen? Ja Bücher: Ich will die Buchhandlung Lerchenfeld praisen.

Ein Buchtipp? „Chicago“ von Theodora Bauer, das lese ich gerade.

Und Gewand? Die goldene Jacke vom Amadeus Auftritt? Den MC-Bedarf? Ich kaufe Kleidung meist, wenn ich im Ausland bin. Da habe ich mehr Zeit. Die Jacke war aus London.

Ein Lieblingssong? Wen ich immer lieben werde, ist Beyoncé.

Man’s not hot von Big Shaq hast du bei Rapper lesen Rapper im Literaturhaus Graz vorgetragen (ab Minute 85). Was ist mit dem? Die erfrischendste Veröffentlichung im letzten Jahr. Der britische Comedian Michael Dapaah nimmt Gangsta Rap Klischees auf die Schaufel.

Das schlimmste Female Rap Klischee? Frauen schreiben Liebeslyrik und beschäftigen sich nicht mit den großen Dingen in der Welt. Blödsinn, es ist genau umgekehrt. Weltherrschaft statt Liebeslyrik!

Für welchen Verein schlägt dein Herz? Für die Gemeinschaft zur Realisierung internationaler Poetry Slams in Wien

Was magst du Wien ausrichten? Bussi, bleib so wie du bist. Und stellt die Bank zurück auf die Mölkerbastei!

yasmo-klangkantine.com


Yasmo solo auf !Records
Yasmo und Die Klangkantine bei ink music


Tipp: POPFEST Wien
25. - 28. Juli 2019 

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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