Vom Deserteur zum Archäologen

Edmund Richardson hat eine interessante Biografie über Charles Masson, eigentlich James Lewis, verfasst.

Dieser war im Juli 1827 aus der Armee der britischen Ostindien Kompanie in Indien desertiert.

Ab dem Zeitpunkt lebte er im Verborgenen, da sein Ex-Soldgeber alles andere als zimperlich vorging: nicht beim Aneignen von exterritorialen Gebieten und Ressourcen, nicht bei Mitarbeitern, die den Dienst verweigerten und sowieso nicht bei Menschen ohne Lobby mit schrägen Ideen.

Charles Masson nutzt seine Chancenlosigkeit, um gleichsam als Autodidakt sein Interesse an Alexander dem Großen zu pflegen. Er begibt sich auf die Spur des mythischen Feldherrn. Es war auch im 19. Jahrhundert davon auszugehen, dass es mehrere Alexandrias gab, also Basislager und Städte, von denen aus Alexander/Sikander Feldzüge und Eroberungen plante.

Masson zahlt unendlich Leid und Lehrgeld auf der Suche nach vertrauenswürdigen Verbündeten, Mitteln und Equipment für Grabungen, tragfähige Hinweisen auf lohnende Stellen etc. Aber er bleibt dran. Unbedankt, prekär, von der Fachwelt ignoriert, hauptsächlich in Afghanistan. So wird er langsam zum Spezialisten für Topografie sowie Land und Leute und er wird so der Ostindien Kompanie als Spion (wider Willen) einmal mehr nützlich.

Er entdeckt so etwas Ähnliches wie den Rosetta Stein und erwägt die Idee, dass es vielleicht nicht nur ums Erobern ging, sondern ums voneinander Lernen benachbarter Kulturen. Masson besucht auch die riesigen buddhistischen Bamyan Statuen, die 2001 von den Taliban gesprengt wurden. Ganz generell unterstützen die Beschreibungen aus dieser Zeit vor unserer Zeit die Idee, dass viele Probleme in Afghanistan heute etwas mit den Nehmerqualitäten und der Herablassung europäischer Staaten zu tun haben könnten. Für Fans historischer Erzählungen!


Alexandria. Auf der Suche nach der verlorenen Stadt
von Edmund Richardson
Midas Verlag
344 Seiten
25,50 Euro

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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