Die Ausstellung im Unteren Belvedere holt mehr als 50 Künstlerinnen und ihre Werke aus 1900 bis 1938 vor den Vorhang.
MadameWien fragt sich beim Gang durch die Räume im Unteren Belvedere immer wieder: Wer musste eigentlich mehr Aufwand betreiben? Die Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts, um ihrem Talent nachgehen, es entfalten und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen zu können? Oder jene Männer, die ihnen die Aufnahme in Schulen, Bünde, Ausstellungsräume, Werkverzeichnisse etc. verweigerten, um ihr Weltbild abzustützen?
Mit der Ausstellung „Stadt der Frauen“ holt das Untere Belvedere mehr als 50 Künstlerinnen aus 1900 bis 1938 ans Licht. Genauso wie Kuratorin Sabine Fellner machten es die Kunstschaffenden damals auch: Sie schlossen sich zusammen in eigenen künstlerischen Zirkeln (Acht Künstlerinnen, Vereinigung der bildenden Künstlerinnen, Wiener Frauenakademie) und machten ihre eigenen Schauen, etwa Wie sieht die Frau?, Wiener Frauenkunst, Die Kunst der Frau. Aber nicht nur.
Obwohl sie an Schulen nicht zugelassen und im Hagenbund nur als a.o. Mitglieder geführt wurden, überzeugten sie. Sie waren Teil der lebendigen, viel gerühmten künstlerischen Szene in Wien um 1900. Sie wurden (staatlich) ausgezeichnet, sie wurden beauftragt, sie wirkten in Ausstellungen mit, teilweise wird neben den Bildern der Fotobeweis in Schwarzweiß angetreten. Dennoch ist etwa von der Ver Sacrum Mitarbeiterin Leontine Maneles nicht einmal Geburts- und Sterbejahr bekannt. Zarte Frauenhände bearbeiteten Marmor und Bronze - und wie.
Manche waren Ehefrauen, manche auch Mütter, aber sie waren sicher keine „malenden Hausfrauen“, wie Broncia Koller 1980 bei einer ihr gewidmeten Personale von der Presse tituliert wurde. Auch die Diaschau ist es wert zu verweilen: Tina Blau, die mit einem großen Korb-Leiterwagen ein Bild transportiert. Oder die Landschaftsmalerin von ihren Schülerinnen umringt im dunklen Kleid mit grauer Hochsteckfrisur.
Eben jene Tina Blau, deren leuchtendes großformatiges Werk Frühling im Prater (aus 1882) zunächst von der Hängekommission der Internationalen Ausstellung im Wiener Künstlerhaus wegen „zu großer Helligkeit“ abgelehnt wurde. Hans Markart setzte sich für sie ein - dann gings. Das Bild wurde 1899 sogar von der kaiserlichen Gemäldegalerie angekauft. Was wieder zur Anfangsfrage führt. Wie konnten die Spuren der Künstlerinnen, teilweise auch ihre Werke so verwischt oder gar ausradiert werden? Warum werden ihre Namen nicht automatisch mit genannt, wenn man an das Fin de Siècle denkt?
MadameWien empfiehlt „Stadt der Frauen“ im Unteren Belvedere aus mehreren Gründen: Sie können mit jeder Begleitung hingehen: Kinder, Erwachsene, Männer, Frauen, Kunstliebhaber, Kontext-Liebhaber, Wienfans, Gesellschaftsinteressierte, Geschichtsinteressierte... egal! Gehen Sie, mit wem Sie wollen: Es wird ein Augenöffner sein.
Es sind tolle, vielfältige Kunstwerke, sowohl was die Technik betrifft, als auch den Stil. Bildhauerei, Holzschnitt, Grafik, Gemälde, Stillleben, Landschaften, Portraits, Impressionismus, Expressionismus, Stadtansichten, Menschenbilder, Buchillustrationen, Kinetismus, Neue Sachlichkeit - ist alles da. An Wien-Bezügen mangelt es nicht, seien es der „Frühling im Prater“ oder das „Donauweibchen“, Stadtansichten oder Denkmäler.
Der nächste Schritt wäre eine Tour zu den Werken, die heute noch in Museen, in Parks oder auf Friedhöfen zu finden sind. Und noch eine Empfehlung: In ihrem Artemisia Blog hat Nina Schedlmayer fünf der gezeigten Werke noch einmal gesondert analysiert und in Kontext gesetzt
Unteres Belvedere
STADT DER FRAUEN
Rennweg 6
1030 Wien
Geöffnet täglich von 10-18 Uhr
Freitag 10-21 Uhr
SONDERPROGRAMM: WELTFRAUENTAG 8. MÄRZ
Sonderführungen und Vorträge hochkarätiger Referentinnen: Der Weltfrauentag ist die ideale Gelegenheit, um mutige und emanzipierte Frauen in den Mittelpunkt zu stellen – einen ganzen Tag lang und bei freiem Eintritt in das Untere Belvedere für alle Besucherinnen.
Liste der gezeigten Künstlerinnen
Ilse Bernheimer, Camilla Birke, Tina Blau, Marie Olga Brand-Krieghammer, Eugenie Breithut-Munk, Maria Cyrenius, Friedl Dicker, Marie Egner, Bettina Ehrlich-Bauer, Gertrud Fischl, Luise Fraenkel-Hahn, Greta Freist, Helene Funke, Susanne Renate Granitsch, Margarete Hamerschlag, Fanny Harlfinger-Zakucka, Hermine Heller-Ostersetzer, Stephanie Hollenstein, Johanna Kampmann-Freund, Franziska Kantor, Elisabeth Karlinsky, Stefi Kiesler, Erika Giovanna Klien, Broncia Koller-Pinell, Frida Konstantin-Lohwag, Elza Kövesházi-Kalmár, Leontine von Littrow, Elena Luksch-Makowsky, Mariette Lydis, Leontine Maneles, Emilie Mediz-Pelikan, Marie-Louise von Motesiczky, Marie Müller, Gertrud Nagel, Fritzi Nechansky-Stotz, Minka Podhajská, Marianne Purtscher, Baroness von Eschenburg, Gertraud Reinberger-Brausewetter, Lili Réthi, Teresa Feodorowna Ries, Mileva Roller, Frieda Salvendy, Marianne Saxl-Deutsch, Emma Schlangenhausen, Anny Schröder-Ehrenfest, Lilly Steiner, Bertha Tarnóczy von Sprinzenberg, Helene von Taussig, Ilse Twardowski-Conrat, My Ullmann, Trude Waehnerm, Olga Wisinger-Florian, Grete Wolf-Krakauer, Franziska Zach, Maria Zeiller-Uchatius, Nora von Zumbusch-Exner
Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.