Weit und breit kein Landidyll

Am Anfang steht ein Tod, der Rätsel aufgibt, zumindest bei der Leserschaft und den Hinterbliebenen. Die Dorfbevölkerung tut den plötzlichen Tod eines Bauern im See als Selbstmord ab und kümmert sich allzu bald offensiv um die zwei hinterbliebenen Frauen auf dem Reisingerhof.

Da ist zum einen die vom Leben nicht verwöhnte Altbäuerin, die nicht nur hart zu sich selbst sondern vor allem zu anderen ist. Zum anderen arbeitet am Hof die Tochter Elfi, die sehr unter dem Verlust des Vaters leidet und ihre Zweifel am angeblichen Selbstmord hat.

Die Rotte Ferchkogl liegt am Hausberg, ein Stück weit unter einem Basaltwerk, zu dem täglich die Lkw hinauf brausen. Sie besteht aus fünf Höfen und einer Kapelle, allesamt durch eine schmale Straße verbunden. Am Fuß des Hausbergs befindet sich der Ferchkoglsee. Elfi und ihre Mutter widerstehen den immer drängenderen Übernahmeangeboten der Nachbarn und holen sich einen Arbeiter auf den Hof. Doch als Elfi mit ihm anbandelt, hängt der Hausfrieden mit der Mutter schief, das Unheil nimmt seinen Lauf.

Marcus Fischer setzt als Stilmittel gekonnt eine Art von ländlicher Sprache ein, die geschmeidiger als jede Dialektform daher kommt. Er versteht es, die Abgründe dieser dörflichen Gemeinschaft – denn eine solche ist sie trotz Intrigen und Gemeinheiten – im Plauderton zu schildern. Wäre das Buch ein Film, hätte der Regisseur diesen wohl durchgehend mit einem sehr tiefen, bedrohlichen Bass unterlegt. Es liegt von Anfang an Unheil in der Luft. Dennoch lesen sich die Vorkommnisse in der Rotte und auf den Höfen mit einer seltsamen Leichtigkeit, die der Sprache geschuldet zu sein scheint.

Auch wenn im Prolog erwähnt wird, dass in die Gegend „seit ein paar Jahren die Gäste zum Baden kommen und im Herbst zum Wandern“, so erzählt Fischer im Rückblick zu keiner Zeit von ländlichem Idyll. Für ein solches haben die Bewohner:innen kein Auge, zu sehr sind sie mit ihrem harten Landleben und nicht zuletzt mit Machtkämpfen, Konkurrenz und Gier beschäftigt.

„Dass sie schon immer einen Boscher gehabt hat, die Elfi, haben die einen gesagt. Wennst heut die Jungen fragst, was mit der Elfi war, scherts keinen mehr. Ist ja schon eine ganz andere Zeit“. Die Handlung der Geschichte spielt in den 1970ern.

Ein Heimatroman, der über jeden Kitsch-Verdacht erhaben ist, große Leseempfehlung!


Die Rotte
von Marcus Fischer
Leykamverlag.at
289 Seiten
23,50 Euro


Beitragsbild: © Minitta Kandlbauer

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

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