Hedy Lamarr Behind the Scenes

Der Grabstein von Hedy Lamarr (1914-2000), geborene Hedwig Kiesler aus Wien, führt zwei Berufsbezeichnungen: Actress & Inventress. Sowohl das Schauspielen als auch das Erfinden hat die Wienerin gemäß der Biografie von Michaela Lindinger, erschienen im Molden Verlag, immer wieder versucht. Wirklicher Erfolg und vor allem Lebensglück stellte sich für die Wienerin leider in beiden Sparten nicht ein. Das zeigt sich im Überblick schon auf der Seite vor dem Inhaltsverzeichnis, die verschiedene Nachnamen und gescheiterte Ehen mit den Jahreszahlen vermerkt. Die Autorin wirft einen detail- und kenntnisreichen Blick hinter die Kulissen und bestätigt den Verdacht, dass auch das Leben als „schönste Frau der Welt“ in Hollywood kein Zuckerschlecken war.

Zudem bewahrheitet sich, dass skandalumwitterte Nacktszenen vielleicht kein idealer Einstieg in eine ernsthafte Filmkarriere waren und auch Schönheitsoperationen sowie Amphetaminsucht nicht geholfen haben. Lindinger beleuchtet die Herkunft, das Zeitgeschehen, die Technik, die Medikamentenabhängigkeit, das Liebes- und das Familienleben und versucht so, der Persönlichkeit einer Frau nahezukommen, die zwischen einem verwöhntem Einzelkind, einem hellen Geist und einer zornigen Diva schwankte.

Das Frequenzsprungverfahren zur sicheren Funksteuerung von Torpedos, für das Hedy Lamarr als Role-Model für den mit Frauen unterbesetzten MINT-Sektor (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) als Preis-Namensgeberin und Technikpionierin herhalten darf, hätte in der Realität des zweiten Weltkriegs nie funktioniert. Das Patent, das sie 1941 mit dem Künstler Georg Antheil einreichte, basierte auf der damals bereits veralteten Lochkartentechnik.

Warum Hedy Lamarr dennoch in die würdige weibliche Ahnenreihe gehört, ist die Tatsache, dass sie sich Dinge einfach zutraute, über Probleme nachdachte und selbst Lösungen suchte. Und dass sie ihre Bekanntheit als Antifaschistin sehr erfolgreich nutzte. MadameWien hat „Hedy Lamarr. Filmgöttin- Antifaschistin- Erfinderin“ in einem Zug gelesen und genossen. Michaela Lindinger erzählt gekonnt, gibt jedem Lebensthema das nötige Gewicht, ist mit Popkultur vertraut, zieht Vergleiche, blendet weder Zeitgeschichte noch Geschlechtergerechtigkeit aus und bleibt auch dann respektvoll, wenn sich ihre Protagonistin komplett lächerlich macht. Und sie verbindet die Wahrnehmung in Wien mit der Wahrnehmung in den USA.

Einzig die famose Darstellung der Schauspielerin und Erfinderin durch Anita Zieher in der Theaterproduktion Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar (2014) hätte noch Beachtung finden können.


Hedy Lamarr.
Filmgöttin - Antifaschistin – Erfinderin 
von Michaela Lindinger
Molden Verlag 2019
304 Seiten
28 Euro

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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