Prägende Jahre eines Menschenfeindes

Wie nähert man sich der Persönlichkeit Adolf Hitler? Nüchtern, faktenbasiert, präzise und mit Rundumblick auf die Umgebung, die Zeit und den Zeitgeist. So haben es Hannes Leidinger und Christian Rapp angelegt. Ihr Sachbuch „Hitler. Prägende Jahre“, das im Residenz Verlag erschienen ist, behandelt Kindheit und Jugendjahre des Diktators und Menschenfeinds.

Die prägenden Jahre setzen sie zwischen 1889 bis 1914 an. Diese Jahre umfassen das Aufwachsen und mehrmalige Ortswechsel zwischen Österreich und Bayern, die Herkunft der Eltern, deren Familiengeschichte und Familienbande, den Schulbesuch und das schulische Versagen Adolf Hitlers, die Freizeitgestaltung und seine Erziehung.

Aber auch, was in diesen Jahren Thema und Talk of Town in Passau, Leonding, Linz und Wien war, worüber in der Zeitung berichtet, und was vorgetragen wurde. Die Autoren werten Aussagen von Hitlers Weggefährten, Lehrenden, Vorbildern und wenigen Freunden ebenso aus, wie Berichte und Blattlinie der Zeitungen und Zeitschriften, die er gelesen hat und sie verfolgen Theater-Abos und vorhandene Korrespondenz.

So zeichnen sie langsam das Psychogramm des Weltkriegsentfachers und Holocaust-Betreibers. Immer wieder erfolgt der Abgleich von historisch Belegbarem mit dem autobiografisch geschönten Werk „Mein Kampf“. Es ist klar, dass Hitler den Antisemitismus, das völkisch-nationalistische, antislawische und Reinheits-Denken nicht erfunden hat.

Manche Details werden die LeserInnen schon über Adolf Hitler wissen: Karl May-Fan, Richard Wagner-Fan, erfolgloser Kunstmaler, Langzeitbewohner eines Männerwohnheims, Antialkoholiker, hatte eine gestörte Beziehung zu Frauen, gute Beziehungen zu manchen Juden, eine katholische Mutter und einen gewalttätigen Vater. Aber das Buch vertieft das Anekdotische weiter, ohne dabei je die Person in Schutz zu nehmen oder durch viele Erklärungen das Handeln zu exkulpieren.

225 Seiten und 967 Fußnoten weiter steht die Doppelnatur Adolf Hitler fest vor einem. Das Buch endet mit der Übersiedlung nach München, dem Wunsch die Österreichische Staatsbürgerschaft zurückzulegen und dem Durchbruch als Führerfigur in Deutschland. Ein Fazit der Autoren, wiewohl schwacher Trost, ist, dass Hitler von der vorherrschenden Weltanschauung mehr geprägt wurde, als von seinem Österreichertum.


Hitler - prägende Jahre.
Kindheit und Jugend 1889-1914
von Christian Rapp und Hannes Leidinger
Residenz Verlag 2020
254 Seiten
Euro 24,00

 

TIPP: Die passende Ausstellung dazu im Museum Niederösterreich von 29.Februar bis 9. August 2020

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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