Dieser Weite Weg

Isabel Allende hat zu ihrer Form zurückgefunden. Nach thematisch oft eher seichten Romanen seit 'Das Geisterhaus' ist ihr mit 'Dieser Weite Weg' eine große Erzählung zu brennenden aktuellen Themen gelungen: Flucht und Exil.

Beschrieben wird der Weg der katalanischen Familie Dalmau, die während des Spanischen Bürgerkriegs auf republikanischer Seite steht und mit Beginn der Franco-Diktatur 1939 über Umwege aus Spanien nach Chile fliehen muss.

Dem chilenischen Dichter Pablo Neruda setzt Allende in ihrem neuesten Werk ein Denkmal in Form von einzelnen Versen am Anfang der Kapitel, die ihre langen Schatten auf das Folgende werfen. Pablo Neruda wurde tatsächlich nach dem Ende des spanischen Bürgerkriegs von Chile nach Frankreich entsandt, um dort den Passagierdampfer Winnipeg zu chartern und 1500 republikanischen, spanischen Exilanten die Flucht nach Chile zu ermöglichen. Die Familie Dalmau hingegen ist fiktiv, ihr Schicksal aus vielen wahren Geschichten zusammen getragen.

Der Roman setzt 1938 vor dem Ende des spanischen Bürgerkriegs ein. Erzählt wird, wie der Medizinstudent und Sanitäter Viktor Dalmau an der Front die republikanischen Verletzten versorgt. Sein Bruder wechselt zu den Faschisten, als ein Sieg der Franco-Truppen immer wahrscheinlicher wird. Dessen Verlobte Roser wird bei einem Fronturlaub von ihm schwanger, was er nicht mehr erfahren wird, da er kurz darauf fällt. Pflichtbewusst heiratet Victor Roser und nimmt das Kind als seines an. Ihre Beziehung ist jedoch platonisch und wird es lange und durch viele Wirrnisse der Flucht und des Exils bleiben.

In Chile angekommen, schlägt sich die Familie einigermaßen durch, was Roser als ausgebildeter Pianistin leichter fällt als ihrem Mann. Dieser schafft es dennoch, unter widrigen Bedingungen sein Medizinstudium abzuschließen. Er pflegt eine Schach-Freundschaft zu Präsident Allende und wird deswegen nach dessen Sturz denunziert, gefoltert und in ein Lager verschleppt.

Der Bogen der Erzählung spannt sich über Jahrzehnte bis ins hohe Alter der beiden, denn so ganz ohne Liebesgeschichte geht es bei Isabel Allende dann doch nicht. Die Autorin hat gründlich zum Spanischen Bürgerkrieg und zur späteren Pinochet-Diktatur in Chile recherchiert. Sie beschreibt schonungslos, mit welcher Arroganz und Gleichgültigkeit viele der Geflüchteten von der spießigen und verschlossenen chilenischen Klassengesellschaft aufgenommen wurden. Vergleiche mit Flucht- und Asyl-Szenarien der Gegenwart drängen sich förmlich auf, somit ist 'Dieser weite Weg' ein brandaktueller historischer Roman.


Dieser weite Weg

von Isabel Allende
Suhrkamp Verlag 2019
381 Seiten
24,70 Euro

 

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

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