Schöne neue Arbeitswelt

Jagd im Wiener Netz“ heißt der zweite Krimi von Barbara Wimmer im Gmeiner Verlag. Der Reiz liegt, neben dem Fortsetzungscharakter und den Schrullen der Protagonist:innen, im Setting, das in einer nahen Zukunft spielt.

Corona ist hier bereits Geschichte. Wien 2028. Ein Staranwalt wird tot im Wald aufgefunden mit einem Zettel in der Hand, darauf sein Todestag und ein großes X. Den kann er da nicht selbst platziert haben.

Kurz davor ist er zum Joggen im Dehnepark aufgebrochen, weil er wieder in Form kommen will. Viele sind verdächtig: von der Ehefrau über sämtliche Ex-Klienten und beste Parteifreunde.

Wer viele dunkle Geheimnisse kennt, wird selbst zu Ziel. Kommissar Michael Leyrhofer zählt bereits die Tage bis zum Pensionsantritt. Ihm schwant nichts Gutes, als Sonntagabend das Handy läutet. Doch er ermittelt nicht allein. Die Journalistin („Kurier-futurezone“) und Krimiautorin, Barbara Wimmer, lässt einmal mehr – wie bereits in Tödlicher Crash – die Investigativjournalistin Stefanie Laudon auf den Plan treten. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem IT-Genie, ermittelt sie im Netz (mit). Über einen schlecht abgesicherten Computer landen giftige Dossiers über unliebsame Personen in ihren Händen. Doch das Netz zieht sich zu, aus Nullen und Einsen wird rasch Gefahr für Leib und Leben. Diesmal wird es richtig knapp zwischen Wien und Oberösterreich, wo wir auch erfahren, wie es mit dem vollautomatisierten Kuhstall aus Band eins weitergeht. MadameWien hat die gebürtige Linzerin zu ihrer Inspiration befragt.

Im ersten Krimi geht es um selbst fahrende Autos und einen automatisch gesteuerten Kuhstall. Der neue Krimi verquickt Pharma, Banken und Medien mit Software, die Arbeitsleistung und Beschäftigungsfähigkeit überwacht und misst. Der zweite Fall spielt in einer nicht sehr fernen Zukunft. Wie realistisch ist dieses Szenario? Meiner Meinung nach sehr realistisch. Überwachung in der digitalen Arbeitswelt gibt es gerade in Jobs, die „geistige Arbeit“ voraussetzen, immer mehr. Es gibt längst Software, die es ermöglicht, jeden einzelnen Tastenschlag aufzuzeichnen, um die Produktivität zu messen. Unter dem Deckmantel der Digitalisierung wird außerdem in fast allen Branchen - auch Pharma und Banken - Software eingesetzt, die gar nicht notwendig wäre, oder falsch implementiert wurde - so dass sie keinen Zusatz-Nutzen bringt, sondern nur sinnlose Parameter misst. Nicht falsch verstehen: Digitalisierung ist wichtig, aber es kommt auf das „wie“ an. Im Krimi wird das „so geht es nicht“ aufgezeigt…

Wie kamst Du vom Krimis lesen zum Krimis schreiben? Gab es einen Auslöser? Ich wollte schon immer Krimis schreiben, mit 16 hatte ich meinen ersten Roman fertig und schickte ihn auch an Verlage. Damals war es allerdings so, dass Jung-Autorinnen noch nicht ernst genommen wurden und wir wurden stattdessen an „Schreibewettbewerbe“ verwiesen. Dann kam mir meine erfolgreiche DJ-Karriere als Drum’n’Bass-DJ und Musik-Produzentin dazwischen, bei der ich 26 Länder der Welt und 600 Clubs und Festivals bereist und bespielt hatte. Erst mit 35 konnte ich mich wieder meiner großen Leidenschaft, dem Romanschreiben, widmen. Krimis wurden es nicht zufällig: Meine Mutter hatte schon in der Schwangerschaft einen Krimi nach dem anderen verschlungen. Das prägt, haha.

Was fällt Dir leicht und was fällt Dir schwer am Bücher schreiben? Das Plotten, also das Ausarbeiten der Handlungsstränge und des Inhalts, fällt mir sehr leicht. Das Schreiben des ersten Manuskripts ebenso. Recherchieren ist mein Brotjob als Journalistin, das ist ebenfalls einfach. Mühsam ist das Überarbeiten - das macht mindestens 50% der Zeit aus, ist aber notwendig. Das ist etwa so wie das Transkribieren von Interviews und Audio-Aufnahmen als Journalistin: Es gehört zum Job dazu aber jedeR hasst es!

Wie und wann bist du dem Netz thematisch ins Netz gegangen? Ich habe mich bereits während meines Studiums mit Tech-Themen rund um die Entwicklung des Internets beschäftigt und alles rund um Daten und neue Technologien ist berufsbedingt mein Metier: Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren als Tech-Journalistin. Viele Krimiautor*innen bauen ihre Erfahrungswelt in ihre Werke an, so ist das auch bei mir.

Wie gefährlich sind Wien und Oberösterreich? Cyberkriminalität macht wohl keinen Bogen um Österreich? Cyberkriminalität kennt keine Landesgrenzen. Wir haben im Mai 2022 gesehen, dass es auch die Landes-IT treffen kann. Da wurde das Land Kärnten Opfer einer Ransomware-Attacke, also Opfer einer Erpressergruppe, die anschließend die gestohlenen Daten im Darknet veröffentlicht hat. Davor gab es mit SalzburgMilch ein prominentes Opfer aus dem Produktionsbereich. Auch damals hatten Hacker das Computersystem gekapert und Lösegeld verlangt. Weder Wien noch Oberösterreich sind diesbezüglich sicher, es kann jeden Treffen.

Wer hat Dich zu Deiner Protagonistin inspiriert? Meine Hauptfigur Stefanie Laudon ist eine ambitionierte Investigativ-Journalistin, die den Beruf ausübt, weil sie wirklich daran glaubt, dadurch die Welt verändern zu können und dunkle Machenschaft ans Tageslicht zu bringen. Ich glaube, dass wir diese Art des Journalismus noch lange brauchen werden, leider ist er massiv bedroht - durch Budget-Kürzungen, finanziellen Druck in Redaktionen und aufgrund des Echtzeit-Drucks, der in Redaktionen herrscht.,

War das Dein Corona Projekt? Jein. „Jagd im Wiener Netz“ war von Anfang an geplant und der Plot stand bereits bei der Veröffentlichung von meinem Erstlingswerk „Tödlicher Crash“. Die Protagonistin ist dabei, einen neuen Fall aufzuklären. Ich habe im Jahr 2020 mit „Hilfe ich habe meine Privatsphäre aufgegeben!“ (Mitp Verlag) ein Sachbuch geschrieben. Im Jahr 2021 war es der neue Krimi. Beides wäre auch unabhängig von Corona erschienen, denn Schreiben ist meine Leidenschaft! Es steht auch bereits der Plot für den nächsten Krimi fest.

Du klärst nebenbei über IT-Sicherheit, digitale Irrtümer und falsche Netz-Versprechen auf – ist das ein besserer Rahmen, als beim „Kurier“ in der futurezone? Wen willst Du erreichen? Es ist kein besserer Rahmen, sondern ein weiterer, zusätzlicher. Als Journalistin arbeite ich selbstverständlich faktenbasiert, beim Roman kann ich die technologische Entwicklung weiterdenken, und eigene Szenarien entwickeln, die in der nahen Zukunft spielen, um davor zu warnen, dass alle technologischen Entwicklungen auch ihre Schattenseiten haben. Ich möchte damit so viele Menschen wie möglich erreichen - meine Krimis setzen keine IT-Kenntnisse voraus. Das Feedback bei „Tödlicher Crash“ war gut: 80-jährige Omas waren mit dem Krimi genauso happy, wie 20-jährige IT-Spezialisten. Die einen fanden: Endlich kriege ich mit, was in der Welt passiert. Die anderen: Gut recherchiert, alles stimmt, spannend ist es auch noch, sowas lese ich gerne, bitte mehr davon.

Wer sind Deine Lieblings-Krimiautor:innen? Andreas Eschbach (Thriller), Theresa Hannig (Thriller), Marc Elsberg (Thriller) sind meine Inspiration für meine eigenen Werke und meine absoluten Lieblingsautor:innen. Ansonsten lese ich selbst sehr gerne Krimis von den zeitgenössischen österreichischen Krimi-Kolleginnen Alex Beer, Beate Maxian, Eva Rossmann, Eva Reichl, Christine Neumeyer, und Petra Gungl.


Jagd im Wiener Netz
von Barbara Wimmer
Gmeiner Verlag
344 Seiten
14,50 Euro

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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