Ein Messer im physischen Sinn kann aus Stahl sein, eine scharfe Klinge haben und verletzen.
Attentäter verwenden es, um zu töten.
Salman Rushdie, Autor des Aufregers „Satanische Verse“, benützt es in Form einer sinnbildlich feinen Klinge.
Sprache ist sein Werkzeug - und sie kann sein Messer sein, wenn er sie dazu macht.
In „Knife“ erzählt er präzise vom Mordanschlag auf ihn.
Der Text darf durchaus als Aufarbeitung verstanden werden, auch wenn der Autor dies auf den ersten Seiten des Buchs dementiert.
Im August 2022 wird Salman Rushdie während einer Lesung auf offener Bühne mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Mehr als dreißig Jahre nachdem das iranische Regime wegen seines Romans »Die satanischen Verse« eine Fatwa, einen Aufruf zu seiner Tötung, ausgesprochen hat, holt ihn die schwelende Bedrohung ein. Der Autor überlebt den Anschlag, der in einer Stadt namens Chautauqua im Bundesstaat New York auf ihn verübt wird. Bei der Veranstaltung sollte es um die Gründung sicherer Orte für Schriftsteller:innen in den USA gehen.
Nach seiner langwierigen Genesung, und um ein Auge ärmer, hält er dem Angreifer sein schärfstes Schwert entgegen: Er verarbeitet die brutale Tat zu einer Erzählung aus seiner eigenen Perspektive. Darin geht es um Angst, Dankbarkeit und den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung.
Rushdie erzählt nüchtern und analytisch vom Moment des Angriffs und von der Banalität, die er währenddessen empfand. Er schildert den Einsatz aller mutigen Menschen, der Hilfskräfte und seiner Familie, allen voran seiner Frau, der Dichterin Rachel Eliza Griffiths, die sein Überleben möglich machten. Mit dem Angreifer, den er im Buch „A...“ nennt, wobei er der Leserschaft durchaus Interpretationsspielraum zur Benennung zugesteht, rechnet er auf seine Weise ab.
"Knife" ist Salman Rushdies persönlichstes Werk, es ist dringlich und unerschütterlich ehrlich. Es liest sich wie eine Hymne an die Macht der Literatur, dem Undenkbaren einen Sinn zu geben.
Ein Messer kann schließlich auch hilfreich sein und Gutes bewirken.
Knife
von Salman Rushdie
Penguin 2024
25,70 Euro
Beitragsbild: © Beowulf Sheehan /Penguin
Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.