Frau Macht Politik

Nach dem Rücktritt redet es sich leichter. Es ist ein guter Zeitpunkt zum Auspacken. ZiB 2-Anchorwoman Lou Lorenz-Dittlbacher hat für ihr Buch „Der Preis der Macht“ ehemalige Politikerinnen aus Österreich interviewt, quer durch die Parteienlandschaft und aus verschiedenen Wirkungsbereichen (Gabi Burgstaller, Brigitte Ederer, Benita Ferrero-Waldner, Waltraud Klasnic, Ulrike Lunacek, Maria Rauch-Kallat, Susanne Riess und Heide Schmidt).

Dennoch nutzt keine der acht befragten Frauen die Gelegenheit zum Austeilen, Dreinreden oder für obergescheite Ratschläge an NachfolgerInnen. Die Ex-Politikerinnen neigen nicht zur Verklärung oder zum Schönreden. Aber sie müssen auch nicht mehr ausweichen oder ein Pokerface aufsetzen.

Die TV-Moderatorin will - wie so viele Mütter - ihre kleine Tochter in dem Bewusstsein aufwachsen sehen, dass Frauen heute wirklich alles werden können. Aber als Hillary Clinton dem Rüpel Donald Trump in der US-Präsidentschaftswahl unterlag, bekam diese Devise einen gehörigen Dämpfer.

Die ORF-Redakteurin, die seit 1999 in der Zeit im Bild Redaktion arbeitet, hatte darauf hin die Idee für dieses Buch. Das Ergebnis ist hoch interessant zu lesen, weil alle acht Frauen reflektiert sind und ihre Gedanken und Gefühle teilen. Weil sie verschiedenen Generationen entstammen und ihre Wurzeln kennen. Alle beantworten, wo sie herkommen, was sie politisiert hat, wie sie in die politischen Funktionen kamen. Warum sie eingestiegen und wieder ausgestiegen sind. Wie es ist, Macht zu haben und plötzlich nicht mehr zu haben. Erfolge zu feiern oder eine herbe Niederlage einzustecken. Wie kalt der Wind an der Spitze wirklich weht und wie sie mit ihren Gefühlen umgegangen sind. Auch Frauen, deren Politik man vielleicht nicht befürwortet (hat), werden bei der Lektüre wieder zu Menschen.

Jedes Kapitel beginnt mit einem Schlüsselmoment in der jeweiligen politischen Karriere. Kurze Absätze zwischen den Fragen und Antworten koppeln den Abschnitt in Leben und Karriere an die österreichische Zeitgeschichte und das zu dem Zeitpunkt aktuelle Politikgeschehen. Manche Erfahrungen überschneiden sich, wie das „Phänomen Landeskaiser“. Man möchte nicht glauben, dass eine Anweisung nicht befolgt, ein Auftrag nicht umgesetzt wird, weil die Chefin das Zauberwort „bitte“ ergänzt hat.

Und ehrlicherweise ist es wohl auch 2018 noch so, dass die Farbe der Fingernägel einer Politikerin in der „Pressestunde“ mehr kommentiert wird, als das Gesagte. Wenn nicht gar Schlimmeres. Eine Lektüre nicht nur für Managerinnen und Politikerinnen. Man kann sich bei jeder Ex-Politikerin etwas abschauen in Sachen Strategie, Kommunikation und Kalkül, Ohren steif halten, solidarisch sein, Arbeitsethos und Durchhaltevermögen.

MadameWien würde gerne in ein paar Jahren einen zweiten Teil lesen. Vielleicht mit Maria Fekter, Laura Rudas und Johanna Mikl-Leitner.
Spannend zum Nachhören auch der Podcast mit Lou Lorenz-Dittlbacher und Eva Weissenberger

„Ganz offen gesagt“ Folge #31 vom 13.9.2018


Der Preis der Macht. Österreichische Politikerinnen blicken zurück
Lou Lorenz-Dittlbacher
Residenz Verlag 2018
274 Seiten
EUR 24,00

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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