Léonie d’ Aunet reiht sich in die kleine Schar von Frauen ein, die pionierhaft um die Welt reisen und darüber pointiert und erstmals aus der Perspektive einer Frau schreiben.
In diesem Fall würde MadameWien empfehlen, zuerst das Nachwort über das Schicksal der Autorin zu lesen.
Da gehen einem einige Lichter auf. Oder sich eben sehr überraschen zu lassen. Die blutjunge Malerin aus Paris reist 1839 als Teil einer Forschungsexpedition – und einzige Frau darin - zum Nordpol.
Die 19-Jährige begleitet ihren Verlobten, schreibt aber die meiste Zeit so, als wäre sie kaum eingebunden in Ehe und Gemeinschaft. Ihren Bericht veröffentlicht sie 1854 in Form langer Briefe an ihren Bruder in New York.
Der Besuch des Nordpols selbst nimmt sich in den Berichten vergleichsweise unspektakulär aus. Aber mit der Anreise von Le Havre, über Hamburg, Kopenhagen, Trondheim, Hammerfest und Spitzbergen und zurück durch das moorige Lappland zu Pferd, dann durch Schweden über Greifswald, Potsdam und Berlin, hat es die Expedition natürlich in sich. Ein Jahr ist sie unterwegs, immer in Eile, wie Touristinnen heute, immer wieder seekrank, fiebernd, erschöpft, zerstochen, verfroren und ungewaschen.
Unbekümmert und bildhaft beschreibt die Französin Landschaften und Leute – wobei die den Samen und Saminnen unrecht tut. Moden und Methoden, Lebensarten, Wirtschaftszweige und Kunst macht sie zum Thema. Ihre Selbstironie macht das Buch zu einer vergnüglichen Lektüre. Léonie reist auf dem Schiff und in der Kutsche, ab einem gewissen Grad nördlicher Breite nur noch in Männerklamotten. Sie schläft auf einem feuchten Rentierfell und langweilt sich im Tannenwald. Sie versinkt im Gatsch, rappelt sich auf, verdirbt sich den Magen, lernt ein sauberes Bett und ein Bad wahrhaft zu schätzen und macht immer wieder die Dame von Welt in abgelegenen Winkeln. Dabei beschreibt sie Landschaften, die heute durch die Klimaerwärmung zu Verschwinden drohen.
Ein schön gestaltetes Buch, leinengebunden im Schuber. Ideal als Geschenk für Menschen, die eine Reise in den Norden planen.
Reise einer Frau in die Arktis
von Léonie d’ Aunet,
übersetzt von Birgit Leib
mit einem Nachwort von Kristina Maidt-Zinke
mare Verlag
352 Seiten
35,95 Euro
Beitragsfoto: © unsplash/Bingqi Huang
Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.