In Kopf und Herz der knabenkühnen Jungfrau

Das Buch „1431“ beginnt mit dem Ende der Geschichte: Johanna von Orléans wird auf dem Scheiterhaufen als Ketzerin verbrannt. Der Henker tut seine Pflicht, ihre Ankläger fühlen sich bestätigt, möglichst viele sollen es sehen.

Sophie Reyer haucht in ihrem Roman der Jungfrau, die französische Truppen mit Schwert und Banner gegen die Engländer geführt hat, Worte, Gedanken, Physis und Emotionen ein. Sie macht die rätselhafte historische Figur greifbar, indem sie sich in Kopf und Herz versetzt.

Man fiebert unwillkürlich mit, obwohl klar ist wie die Geschichte ausgeht und eine von Heiligen, Engeln und Gott geführte Jungfrau so aus der Zeit gefallen scheint. Johanna, die um den Baum der Frauen und Feen in Domrémy tanzt, die ihre Großmutter liebt, einem toten Vogel nachtrauert und mit Erzengel Michael und der Heiligen Katharina konversiert.

Immer wieder reißt es die Leserin: was davon ist im Dunkel der Geschichte belegt, wo hat die Autorin diese Infos her – es wird so plausibel, was als Plot so fremd ist. Jedes Kapitel ist in einem Kunstgriff geteilt und schreitet in zwei Zeitperioden jeweils vorwärts. In der ersten Hälfte ist Johanna in Gefangenschaft und wird in die Mangel genommen.

Meist sind nur Loyseleur und Johanna im Turmverlies, wobei er sie ausspionieren soll, sich aber bald der Faszination und seiner Gefühle für die beseelte und starke Frau nicht entziehen kann, während sie gleichzeitig immer mehr abbaut. In der zweiten Hälfte jedes Kapitel verfolgen wir, wie die Magd zur knabenkühnen Ritterin wird und zwischen Zweifel und Zuversicht schwankt. Packend! Man führt Johanna zu den Folterwerkzeugen, um sie unter Druck zu setzen, zeigt ihr den Henker. Und dennoch ist da ein Leuchten in ihr, als sie in einer Mischung aus Mut und Verachtung ein Schnauben ausstößt. „Wenn ihr meine Glieder wegreißt von meiner Seele, dann werdet ihr es bereuen.“


1431
von Sophie Reyer

Czernin Verlag
240 Seiten
22 Euro

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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