Michael Heltau, ehemaliger Burgschauspieler und manchmal auch Rezitator von Stephan Eibels Gedichten, verglich ihn bei einer Lesung im Wiener Literaturhaus mit Mozart.
Andere, so hört man, vergleichen ihn mit dem Dichter H.C. Artmann.
Liest man Eibels Gedichte wie die in seinem Band „sternderln schaun“, 2024 im Limbus Verlag erschienen, oder erlebt man ihn außerhalb von zwei Buchdeckeln, erweist er sich als unvergleichlich.
Dies gilt für alle Menschen, auch wenn es Mühe kostet, draufzukommen. Vergleichen dient dem Versuch einer gemeinsamen Vorstellung, kurz, der Kultur.
Unvergleichliches fällt aus ihrem Rahmen, davon kann Eibel erzählen. Aus-dem-rahmen-fallen sollte, wenn er sich das auch wohl kaum gewünscht hat, zu seiner lebenslangen Kulturleistung werden.
„würde ich mich / heute als junger seh’n / denkert i: / der hat sicha ka turnhosen“
Muss er eben nackig herumlaufen wie der Kaiser im Märchen von Hans Christian Andersen, den auch erst ein kleines Kind darauf aufmerksam macht, dass er ohne Hosen dasteht. Erwachsene hingegen tummeln sich um den Kaiser und heucheln Bewunderung, schließlich sind sie Kulturmenschen. Als ewiger Fünfjähriger aber, auch wenn einem die eigene Frau nur drei Jahre zugesteht, darf man sich mit dem Nackigen befassen –, nein nicht hingreifen, wir haben Literatur.
„wie in den 70ern / in wien / wo es auch schon / kalt im winter / damals noch student / offiziell / insgeheim: schriftsteller / und frierender / heute mit siebzig / offiziell dichter / insgeheim: keine kohle / wie damals“ erzählt er im Gedicht „nostalgie“.
Damals blank wie heute. Er hat sich seinen Glanz erhalten. Am Nackigen entdeckt man keine Kohle, sondern Eier, sichtbar oder weniger sichtbar. Die Eier abschneiden musste, wer am Hof des Kaisers (von China) etwas werden wollte. Als Auszeichnungen trug man sie dann um den Hals, Ausweise einer Kaste an Würdenträgern – damals gab es noch keine Innen, sondern Mandarine. Dazu fand sich Stephan Eibel nie bereit, sein acht Seiten langes Gedicht
„70 jahre ja nein“ zeugt davon: „bis 5: / ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja“.
Jaja, das geht dann auch in „nein“ über, aber bis 67 tritt das „ja“ immer wieder auf. Danach folgt nur noch seitenweise „nein“. Fünf, also das Lebensalter, kommt in diesem Gedichtband öfter vor. Ein Hinweis darauf, dass ein Kind mit fünf schon das Wichtigste weiß: Alles, was Erwachsene reden, ist Bullshit. Allerdings werden die meisten Fünfjährigen auch einmal erwachsen.
„als fünfjährige wussten wir / sie stürmen erst bei finsternis“– sie, die Erwachsenen: Dann, wenn im Oberstübchen Dunkelheit einfällt.
„i war sicher und auf einmal hob i entschieden / noch einmal obi zu geh’n / noch einmal die kramperln pflanzen / noch einmal sich richtig gescheit fürchten“
Auch mit siebzig geht er auf die Straße hinunter, um sich im Fürchten zu üben, „to get my fair share of abuse“, wie die Rolling Stones singen. Kramperln halten sich heute im Fitness Center an der Renngasse tüchtig, wo er einmal in der Woche unter ihnen schwitzt. Schweiß, das Gedicht des Ohnmächtigen. Ihnen sagt er es mit einem „kampfgedicht pur“ hinein:
„bist du für höhere mieten / noch schlechteres gesundheitssystem / weniger kindergartenbetreuung / weniger lohn / mehr umweltzerstörung / mehr hass / dann övp oder fpö“
Man könnte meinen, da klage nur ein alter Linker. Doch ein Besuch beim Sommerfest einer Privatbank auf der Albertina-Rampe, und schon erlebt man das Gedicht als Tatsachenbericht. Androsch, Edtstadler und Kurz waren auch da (für alle, die sich darunter etwas vorstellen können). Gemma lieber Sternderln schaun.
„in zweihundert / dreihundert / vierhundert jahr’ / jemanden zu umarmen / verliebt zu sein / zu lieben / wird so schön sein / wie vor fünftausend jahr’“.
Oder mit fünf.
sternderln schaun
Gedichte
von Stephan Eibel
Limbus Verlag 2024
96 Seiten
15 Euro
Text: Christian Zillner
Beitragsbild: © Nini Tschavoll
madamewien
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