Vergnüglich ist die Lektüre dieser Sammlung an Unterhaltungsmöglichkeiten im alten Wien allemal. Denn wenn es um Spaß und Unterhaltung ging, war man hier immer schon erfinderisch. Es blieb nicht nur bei Walzer- oder Weinseligkeit, Backhendl und Prater. Vergnügungen und die Lust am Spektakel waren in die Wiener Stadtlandschaft förmlich eingeschrieben.
Das Autorenduo Thomas Hofman und Beppo Beyerl, beide ausgewiesene Wien-Kenner, bringen in ihrem schön bebilderten Buch viele längst vergessene Begebenheiten und verschwundene Traditionen wieder in Erinnerung.
Wer weiß heutzutage noch, dass der Böhmische Prater, ein lebendiges Relikt aus vergangenen Jahrhunderten, 1882 aus einem Wirtshaus entstand, in dessen Gastgarten der findige Wirt Franz Bauer ein Ringelspiel und Schaukeln installierte? Das fand bald Nachahmer und der kleine Bruder des großen Prater im 2. Bezirk war am Laaer Berg in Favoriten war geboren. Noch heute kann dort das wahrscheinlich älteste Holzkarussel der Welt bewundert werden. Auch die Geschichte um den legendären Bierdippler Baronkarl ist nachzulesen. Er war dort bereits zu Lebzeiten eine bekannte Persönlichkeit, sein spektakuläres Begräbnis machte ihn endgültig zur Legende.
Wir erfahren, dass auf der Jesuitenwiese für das 10. Sängerbundfest eine riesige hölzerne Halle erbaut wurde, in der 35.000 Sänger und 40.000 Zuhörer Platz fanden. Freilich muss heute erkannt werden, dass das Musikfest bereits im Zeichen eines deutschnationalen Kulturverständnisses stand. Dennoch – die Größe des Bauwerks muss enorm gewesen sein, die WienerInnen strömten in Scharen hin, um den Chören zu lauschen.
Die Autoren spüren nicht nur den vielen Festen in Wiener Weinkellern unterirdisch nach, auch die „Schöne Leich“ wird ausführlich beschrieben – und was sie im stets etwas morbiden Wien bedeutete. Bei der Beerdigung Kaiserin Elisabeths „...harrten ungezählte Tausende an den Straßen aus, um einen letzten Blick auf den Trauerzug werfen zu könne, welcher die todte Kaiserin zu ihrer letzten Ruhestädte in die Kaisergruft geleiten sollte.“ Als dieser passiert war, eilten die Massen in die Hofburg, wo man erhoffte, einen Blick auf die vielen angereisten ausländischen Fürstlichkeiten zu erhaschen.
Alles in allem eine wunderbare und unterhaltsame Zeitreise durch die Stadt von gestern. Gemma schaun heißt übrigens ein Lied von Qualtinger und Heller zur Lieblingsbeschäftigung der WienerInen von einst (und jetzt?).
Wiener Vergnügung
Die Stadt von gestern
von Thomas Hofmann und Beppo Beyerl
Styria Verlag 2019
240 Seiten
27 Euro
Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.