Reiseleiter in heikler Mission

Es bleibt einem beim Lesen immer wieder die Spucke weg. Wenn Willy Perl (mehrmals) auf Adolf Eichmann trifft, an seinen „vier Fronten“ kämpft, verleumdet wird, die Last der Verantwortung für hunderte todgeweihte Menschen ihn beinahe erdrückt, Kohle, Geld oder Proviant ausgehen. Oder wenn er sich mit Chuzpe zu Obrigkeiten und offiziellen Dokumenten verhilft.

Alles beginnt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Bald droht Perl selbst an jedem seiner Aufenthaltsorte die Verhaftung, schlimmstenfalls die Auslieferung nach Österreich.

Er ist mittelllos, staatenlos und verhandelt stets händeringend. Aber er gibt nie auf.

Bis 1940 gelang es im Rahmen der Alija Bet, mehrere tausend Juden und Jüdinnen aus ganz Europa in das britische Mandatsgebiet Palästina zu verschiffen. Zu schmuggeln, um präzise zu sein.

Wohlgemerkt bevor es Handys gab und man sich jederzeit verschlüsselt Nachrichten schicken konnte. Willy Perl, bis zur Übernahme des Naziregimes erfolgreicher und frisch verheirateter Anwalt mit Kanzlei am Stubenring, war einer der selbstlosen Reiseleiter.

Er ermöglichte, unterstützt von ein paar sehr beherzten Frauen, Menschen über die Donau hinunter und kreuz und quer übers Meer, auf umgebauten Schiffen, das Überleben. Wer sich aller diplomatisch abgeputzt hat, wie komplex die politischen Bündnisse und Konkurrenzen auch innerhalb der jüdischen Communitys waren, und wie die Notlage von Menschen die Geldgier anderer Menschen befördert, zeichnet Robert Lackner lesenswert und berufen nach.


Wie ein junger Anwalt Tausende Juden rettete
Die abenteuerliche Geschichte des Willy Perl

von Robert Lackner
Kremayr & Scheriau
300 Seiten
27,95 Euro


Beitragsbild: © Georg Kramer

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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