Name Parvin Razavi, geboren 1978 in Teheran, aufgewachsen in Teheran, am Kaspischen Meer und in Wien, lebt in Wien-Penzing, Beruf Köchin, Kochbuchautorin und Bloggerin
Wie ein Fisch im Wasser – der Vergleich drängt sich auf, wenn man Parvin Razavi bei ihrer Arbeit beobachtet. Denn erstens: Wenn sie kocht, dann wirkt das so easy, so leichtfingerig, so alles-kein-Problem, dass es einen nachher, beim Probieren, umhaut. Dann ist sie in ihrem Element, gleitet hindurch, elegant und ohne Zögern.
Und zweitens: Ihre Küchenwände sind tiefblau gestrichen, was unweigerlich ans Meer erinnert. Nicht des Blaus, sondern der Sehnsucht wegen, die die Farbe weckt. Das Blau ist kein Zufallstreffer: Es ist ihre absolute Lieblingsfarbe, Lapislazuli-Blau. Und als sie vor drei Jahren ihre Küche gestaltete, erfüllte sie sich mit dem Bemalen der Wände ihrer überhaupt charmanten Wohnung einen Traum.
Charmant, weil die Wohnung genau das widerspiegelt, was man als das Wesen von Parvin Razavi erahnt. Da sind diese Farben – Moosgrün, Knallorange, Leuchtgelb, Kirschrot. Eine große, wilde Familie aus den unterschiedlichsten Möbelstücken, die harmonisch zusammenstehen.
Ein heimeliger Holztisch, der zweifelsfrei Geschichte hat, in beide Richtungen, Vergangenheit und Zukunft, dazu bunte Stühle, ein Regal voll gerahmter Bilder, Bücher, Kinderzeichnungen. Ein Plattenspieler und ihre geliebten Platten dazu, eine legt sie gleich auf, „blond“ heißt sie, und ihre dunklen Locken fliegen, als sie lacht und sagt: „Diese Platte ist meine absolute Lieblingsplatte, ich habe sie ein Jahr lang durchgehend gehört!“
Während sie, bekennend süchtig, einen Kaffee trinkt, blättert sie durch ihr neues Kochbuch. Für „Teheran. Die Kultrezepte.“ ist Parvin Razavi nach zwanzig Jahren wieder in ihre Geburtsstadt gereist. Ihre ersten eineinhalb Lebensjahre hat sie dort verbracht, zog mit ihrer Familie dann ans Kaspische Meer und mit acht Jahren schließlich nach Wien, wo bereits zwei ihrer Onkel lebten. Innerhalb von sechs Monaten hat sie damals Deutsch gelernt, ihr Wienerisch klingt nicht anders als das der vielen verschiedenen gebürtigen, zugereisten, gelernten oder gestrandeten WienerInnen, also „deppert“, „oarsch“, „oida“ oder „ur leiwand“.
Überhaupt, Wien. „Wien ist mein Zuhause“, sagt Parvin Razavi, die mit den beiden Töchtern in einem kuscheligen Hinterhaus mit Dachterrasse, eine Oase mit Sonnenliege und vielen, vielen Kübelpflanzen lebt. „Ich sage das ganz bewusst, Wien, weil ich mich mit Rest-Österreich kaum identifizieren kann.“
Am Land fühlt sie sich nicht wohl, wenn sie dort ein Gasthaus betritt, dann gibt es immer diese Hundertstelsekunde, in der sie angestarrt wird, wie ein Fremdkörper, fremd aufgrund ihres Aussehens, ihre dunklen Augen, die Haare. Es ist nichts Bösartiges dabei, aber doch gibt es sie, diese Hundertstel.
Angefeindet sei sie nie worden. Doch, in der Zeit, als ihre Kinder im Kinderwagen waren. „Sprache ist etwas, das mich als Kind immer ausgegrenzt hat, weshalb ich in der Öffentlichkeit immer Deutsch gesprochen habe“, sagt sie. Mit den Kindern kam der Wunsch, ihre Muttersprache auch als Mutter an ihre Kinder weiterzugeben und sie sprach auch auf der Straße mit ihnen Farsi. „Meine Kinder wurden belehrt, von wildfremden, weil sie dachten, ich verstehe sie nicht.“ Dabei, sagt sie, sei man ohnehin so verletzlich mit dem ersten Kind. „Das war die einzige Phase, in der ich deutlich gespürt habe, dass ich woanders herkomme.“
Parvin Razavi hat inzwischen einen kleinen Snack zubereitet, wie eben ein Snack aussieht, bei jemandem, der so kochen kann wie sie. Ein getoastetes Brot belegt mit dem buntesten und schmackhaftesten Mix aus Spargel, Purple Haze Karotten, Radieschen und Heidelbeeren, den man sich vorstellen kann.
Mit ihrem Entschluss, das Kochen zum Beruf zu machen, ging es rasant dahin. Catering für Freunde, Catering für Andere, ein Foodblog, eine Kochshow, ein erstes Kochbuch („Vegan Oriental“, Neun Zehn Verlag), diverse Gastspiele als Küchenchefin (unter anderem konzipierte sie den „Gschupften Ferdl“ mit) und jetzt das zweite Kochbuch und ein drittes im Kopf.
Es läuft, könnte man sagen, und das köstliche Dressing läuft vom Brot über die Finger, sodass man sie auch noch genüsslich abschleckt.
Hast du ein Lieblingsgericht? Wenn ich bei meiner Mama bin, wünsch ich mir, dass sie mir Khoresht-e Gheyme kocht, ein persischer Eintopf mit Schälerbsen und Limetten. Meine Mama hat auch früher jeden Tag frisch gekocht. Wenn ich bei Freunden war, habe ich immer beobachtet, dass sie Tiefkühlessen bekamen und das insgeheim natürlich cool gefunden. Als ich dann von zu Hause ausgezogen bin, habe ich ein Jahr lang nur Tiefkühlessen oder Leberkäs’ gegessen. Dann hat es mir auch wieder gereicht.
Was ist dein Lieblingsgericht in der Wiener Küche? Tafelspitz. Mit allen Beilagen. In meiner ersten Schwangerschaft war ich regelrecht süchtig danach und bin ein-, zweimal die Woche ins Café Landtmann gegangen, um Tafelspitz zu essen.
Wien schmeckt nach …? Kaiserschmarren mit Zwetschkenröster, nach late night Käsekrainer und auch irgendwie nach Wienerwald.
Was schmeckt dir an Wien nicht? Dass die Wiener ihre Hunde mehr lieben als die Kinder.
Wo gehst du besonders gerne Essen? Ich liebe die japanische Küche. Das Sakai in der Josefstadt und das Kuishimbo Nähe Naschmarkt sind meine Lieblingsjapaner. Ich esse allerdings kein Sushi, weil ich importierten Meeresfisch ablehne. Aber ich liebe die warmen Speisen, Ramen zum Beispiel.
Was ist deine Message an Wien? Wien, es wäre gut, wenn die Menschen anderer Herkunft stärker repräsentiert würden im öffentlichen Leben – bei der Polizei, in der Politik, Busfahrer, überall. Es bräuchte mehr Vorbilder, die aktiv im öffentlichen Leben stehen. Wir MigrantInnen sind auch ÖsterreicherInnen und möchten stärker repräsentiert sein. Wir alle zusammen sind Wien – Vielfalt kann eine Stadt nur bereichern.
Ursel ist gelernte Wienerin (was man ihr aber nicht anhört) und auch nach vielen Jahren noch frisch verliebt in ihre Stadt. Mit ihrer Familie lebt sie in Liesing. Hier schreibt sie Reportagen, Kolumnen und Bücher. Und sammelt Einkaufszettel fremder Menschen.