Ich bin der Küche nicht ausgekommen

Name: Stefanie Herkner, geboren 1982 in Wien, lebt nahe dem Wiener Naschmarkt. Nach einigen Umwegen nahm sie den Kochlöffel in die Hand und bekocht seither in ihrem Lokal "Zur Herknerin"  Menschen, die gerne die traditionelle Wiener Küche genießen.


Tiefer in der Ursuppe einer geborenen Lokalbesitzerin kann man nicht schwimmen. Aber das musste Stefanie Herkner erst einmal von einem Hindernis in ihren Vorteil verwandeln. Wer mit der Wirtin des Gasthauses „Herknerin“ spricht, kommt an ihren Eltern nicht vorbei. Ihr Vater betrieb einst das Lokal „Zum Herkner“ in Dornbach. (Anm. d. Red.: Das heutigen Lokal an der Endschleife des 43-er hat damit nichts zu tun.) Ein bodenständiges Edelbeisl, in dem Stefanie aufwuchs. Wo „der Claus Peymann und der Peter Alexander essen waren, aber durch die coole Mischung auch der Wiener Trankler um 10 Uhr an der Budel seine Achterl getrunken hat“. Ihr Vater war eine starke Persönlichkeit in seinem Anspruch, das Bodenständige mit ausgewählten Ingredienzen zu verbinden, schon damals „ein Freak“. Ein wichtiges Stück von ihm, das Stefanie Herkner in ihrem Lokal kultiviert und weiterleben lässt.

Sie ist also ein Wirthauskind. Auch ihre Mama ist eine Köchin, die Eltern haben sich in der Küche verliebt, erzählt sie. Mütterlicherseits gab es einen Bauernhof in Slowenien. Der Bezug zu den Geschmäckern der Welt war von klein auf gegeben. Ebenso die Liebe zum Reisen und zur Kultur: „Ich habe als Kleinkind Chorizo probiert, war mit sieben Jahren bei Paul Bocuse und viel bei meinen Großeltern am Land. Da gab es Tomaten aus dem Garten, die Oma backt Brot, macht eigenen Speck. Wo andere den Brockhaus hatten, standen bei uns Kochbücher.“

Wo war also der Haken? Ebenso präsent wie Essen war das elterliche Verbot, in die Gastronomie zu gehen: „Das war das Packerl. Die kulinarische Lebenswelt war Monster und Freund zugleich.“ Heute sind ihre Eltern immer mit ihr im Wirthaus, sie spürt sie wie freundliche Hausgeister: Die Knödelrezepte und 45 Küchenjahre ihrer Mama, die manchmal noch mithilft, und das Packerl vom Papa.

Ihr Vater starb kurz vor ihrem 14. Geburtstag und ihre Mutter war dahinter, ihr die bestmögliche Ausbildung zukommen zu lassen. Sie besuchte das Lycée Français de Vienne, studierte Kunstgeschichte, arbeitet nebenbei im Kunstbetrieb, studierte weiter in London und arbeitete im Kunstmanagement mit zeitgenössischer Kunst aus China. „Da lagen genug Kilometer zwischen mir und der elterlichen Küche. Ich dachte, meine Zukunft liegt dort“, sagt sie rückblickend. In London gab es damals schon eine große Bandbreite asiatischer Küche, auch Fergus Henderson mit dem St. Johns, der das „Nose to Tail Eating“ erfunden hat.

Nach vier Jahren kehrte sie zurück, um einen Job in der Kunstszene zu suchen. To cut a long story short: Erfolglos. Sie arbeitete bei Rosenthal umgeben von Besteck, Töpfen, Kochgeschirr und schildert weiter: „ich bin der Küche nicht ausgekommen!“ Stefanie organisierte private Caterings und arbeitet zwei Jahre im Key Account Management eines Start-up Unternehmens, wo sie viel lernte, aber auch nicht richtig glücklich war.

Das Erweckungserlebnis, wenn man es so nennen kann, hatte sie eines Abends an einem total wienerischen Ort: der Loos Bar. Nach ein paar Martini Cocktails sagte ihr bester Freund zu ihr: „Du musst einfach ein Lokal aufmachen!“. Als sie sich endlich dazu durch rang, hatten es alle anderen natürlich immer schon gewusst. Doch die wahre Ochsentour kam erst: Von allen Seiten stellten sich ihr sozusagen riesige Kochtöpfe in den Weg. Von Anfang wollte Stefanie Herkner ihren eigenen Weg gehen und kein Lokal übernehmen, das schon eines war.

Ihre Mutter versagte ihr die Unterstützung, hoffte, dass sie das Handtuch werfen würde, eine Zeit lang wurde richtig gestritten deswegen. Auch die Ausbildner für die Konzessionsprüfung schonten sie nicht, nach dem Motto: Da kommt das Töchterl und meint zu wissen, wie der Hase läuft. Beim Sous-Chef von Helmut Österreicher Senior durfte sie am ersten Tag 15 Kilo Gemüse „Julienne“ in sehr feine Streifen schneiden. „Da hast Blasen an den Fingern. Aber ich habe es geliebt, es hat mich fasziniert, ich habe mich gespürt und konnte endlich meine Hände benutzen.“ Zudem ist die Küche nach wie vor eine Machowelt. Die Kehrseite des „Herkner-Tochter-Seins“ zeigte sich mit voller Wucht, „aber mich hat es motiviert nach dem Motto: euch werde ich es zeigen“.

Dann fand sich endlich ein geeignetes Objekt. „In Wien will ja niemand ein Lokal im Haus haben, bloß nichts Lustiges und Lebendiges“, spricht Stefanie Herkner aus Erfahrung. Mit viel Aufwand verwandelte sie ein ehemaliges Installateurgeschäft auf der Wieden in ihr Reich, wobei der Umbau Euro- und und tränenreich war. Doch 2013 sperrte sie auf und führt seither die Familientradition auf ihre Weise weiter zum authentischen Wiener Ursprung: „Ich arbeite mit den besten Ingredienzen, fast nur Bio Zutaten, sie sollen unverfälscht schmecken, wie bei der Oma. Ich stelle nicht mein Ego auf den Teller, mache ein Gericht nicht firlefanziger oder werte es auf. Es geht mir um Wiener Soul Food.“

Eine Rindssuppe hat Fettaugen, darin liegt ein großes, buttriges Grießnockerl. Ein faschierter Braten gehört mit Erdäpfelpüree, in dem es noch Stückchen gibt. Marillenknödel gibt es nur zur Marillenzeit, „da bin ich kompromisslos!“. Dass es schmeckt wie Zuhause, lieben die Leute. Und es funktioniert nur, weil Stefanie alles kontrolliert, das Lokal nur 4 Tage die Woche geöffnet ist, ausschließlich frisch gekocht wird und „Zur Herknerin“ keine Maschinerie ist.

Zudem bietet sie an den Schließtagen Knödelseminare an. Und sie schreibt gerade an einem Kochbuch. „Hausmannskost lernt man am besten bei alten Damen“, sagt sie. „Die machen alles aus der Hand, nicht nach Rezept: Knödel, Strudelteig, Suppe.“ Für gutes Essen braucht es nicht viel, Stefanie Herkners Philosophie. Und was ist das Geheimnis der Wiener Küche?:
„Sie hat einen Frauen-Ursprung, davon bin ich überzeugt. Es ist eine ehrliche, zutiefst saisonale, lokale Küche, bei der nichts verschwendet wird. Also so, wie wir heute alle vorgehen sollten.“ Und das Wiener Schnitzel? „Gebackenes ist leider geil. Jeder liebt Schnitzel! Aber das gibt es bei mir nicht, denn es gibt auch soviele andere gute Speise.“

Hast du einen Lieblingsmarkt in Wien? Ich wohne direkt am Naschenmarkt, der leider total verkommen ist. Allerdings gibt es am Samstag dort immer bei der U4-Station Kettenbrückengasse den Bauernmarkt. Der ist ganz wunderbar, dort kaufe ich jedes Wochenende ein, weil die Bio Bauern da ihre tollen  Produkte verkaufen.

Was isst du am allerliebsten? Butter und Brot.

Wie schmeckt Wien? Wien schmeckt für mich wie die Gerichte in meinem Lokal: nach Kindheit, Ursprünglichkeit und Gemütlichkeit.

Und wie riecht es? Es riecht nach Wein, nach Gebratenem und nach Saurem – wie zum Beispiel Sauerkraut und eingelegten Gurken.

Welchen Köch:innen folgst du auf instagram? Puhh das gibt es ganz viele. Aber um zwei Lieblinge zu nennen, bei denen es sich um Frauen aus meinem Metier handelt: Sarah Cicolini auf
santopalato und Olia Hercules auf oliahercules

Was ist dein Lieblingsort in Wien? In einer Gondel im Riesenrad

Das beste Wiener Kaffeehaus? Ich liebe das Café Korb.

Wohin gehst du auf einen Absacker? In die Bar im Hotel Bristol.

Du bist immer sehr adrett gekleidet. Wo kaufst du deine Kleidung? Am liebsten bei Wiener Designern, etwa Arthur Arbesser, Jana Wieland, Susanne Bisovsky.
Dann mag ich noch Shops wie Nachbarin, Wäscheflott, Park und für "drunter" kaufe ich gerne bei Amour Fou Dessous.

Was läuft gerade auf deiner Playlist? "La Vie en Rose" von Grace Jones und von Marlene Dietrich "Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe eingestellt."

Hast du einen Lesetipp für uns? Die Rezepte meines Vaters  von Jacky Durand.

Was möchtest du Wien ausrichten? Küss die Hand!


Zur Herknerin

 

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

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