Name: Manuela Mandl, geboren 1988 in Wien, aufgewachsen in der Josefstadt, wohnt in Hernals und mit Beginn der Wintersaison wieder in Innsbruck. Sie ist Freeriderin, Architekturstudentin und Filmemacherin.
Mit Beginn der Saison(karte) am 15. Oktober übersiedelte Manuela Mandl aus ihrer Heimatstadt Wien in ein WG-Zimmer in Innsbruck. Dort trainiert sie für die aktuelle Freeride World Tour. 2018 entschied die Flachländerin den Bewerb für sich. Freeriden ist jene Snowboard-Disziplin, bei der Frauen und Männer auf ihren Brettern unberührte Schneehänge und steile Rinnen befahren.
Es gilt technisch sauber zu fahren, Hindernisse zu überwinden, insgesamt flüssig, spektakulär und ästhetisch zu fahren – bewertet wird der „Flow“. Einen Probelauf oder zweiten Durchgang, wie bei den alpinen Skibewerben oder beim Slopestyle, gibt es nicht. Es gibt immer nur den ersten Versuch und der sieht halsbrecherisch aus. Manuela ist jedoch alles andere als eine adrenalinberauschte Draufgängerin.
Wir treffen die Profisportlerin wenige Tage vor der Abreise nach Tirol im Schwarzenbergpark, wo sie gerne ihr Trainingsprogramm absolviert. Was braucht eine Snowboard-Freeriderin so? Core-Training, Ausdauer und Kraft – also alles. Sie fährt gewöhnlich mit den Mountainbike von ihrer Wohnung los und absolviert eine große Runde über die Sophienalpe und das Trailcenter Hohe Wand Wiese. Aber heute ist Manuela ohne Rad da und springt stattdessen aus dem Stand auf einen Baumstumpf. Oder einen Picknicktisch. Oder eine Parkbank.
Dann geht sie auf einem Beim stehend in die Knie oder macht Klimmzüge am Querbalken der Feuerwehr-Rutschstange auf dem Spielplatz. Sommers klettert sie und springt am Trampolin. Auch Symmetrie ist wichtig, weil sie ja immer mit dem gleichen Fuß vorne auf dem Brett steht. Gerade kommt die Sportlerin vom Surfen. Das hilft ihr, die Muskeln rund um das Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk nach einer Verletzung zu stärken.
Mit dem Move an die Weltspitze 2018 in der (nicht-olympischen) Disziplin überraschte Manuela die Fachwelt. Eine Stadtkind auf dem Steilhang? Ihr überlegter, schneller Fahrstil auch bei widrigen Bedingungen wurde gelobt. Seither hat sich für die Snowboarderin aus Wien einiges verändert. Sie hat inzwischen ein eigenes Auto, denn 50 Kilo Gepäck sind schlecht zu befördern, selbst wenn man das als Krafttraining begreift. Sie bekommt Preisgeld und hat Sponsoren. Sie gewöhnt sich an das Medieninteresse und nutzt es für die Vermittlung eines unklassischen Frauenbilds.
Von der Profikarriere alleine könnte sie dennoch nicht leben. Also arbeitet sie nebenbei, schreibt Berggeschichten, produziert Filme und kümmert sich sommers um ihre Abschlussarbeit in Architektur über Infrastruktur im alpinen Raum an der Akademie der Bildenden Künste. Sie minimiert ihre Ausgaben und lebt von einem studentischen Einkommen, weil das rotierende Geld in den Sport fließt. Seit 2015 wird sie vom Wiener Skiverband unterstützt.
Manuelas Sportlerinnenkarriere ist kein Einzelschicksal in einer Rand- und Actionsportart, die immer nur einen Take kennt: „So ein Leben kann man nur leben, wenn man zwischen Geist und Körper eine gut ausgebaute Verbindung hat. Ich mag einfach die Bewegung in der Natur und denke sehr analytisch, bevor ich kalkulierte Risiken eingehe. Die meisten Menschen denken wohl, dass sich Freerider einfach nix scheißen.“ Solange man andere nicht gefährdet und mögliche Konsequenzen vorher abschätzt, spricht nichts dagegen sich etwas zu trauen.
Ein Sturz ist kein Drama. Sie will zeigen, dass auch Frauen Lust auf Risiko haben. Bevor Manuela losfährt, liest sie den Berg. Sie legt die Frontalansicht in eine Bewegungsstrategie um und berücksichtigt dabei, wo Schnee wegrieseln oder Lawinen abgehen könnten. Triangulieren ist ihr aus dem Studium vertraut. Und Manuela sagt auch ganz klar, dass es im Bergsport kein Recht auf Rettung aus selbst verschuldeten Situationen gibt. Sie selbst hat mit jeder Verletzung mehr über ihren Körper gelernt und will die Erfahrung des „wieder auf die Beine Kommens“ nicht missen.
Manuela begann mit drei Jahren Ski zu fahren, ihre Familie hatte eine Ferienhütte in den Schladminger Tauern. Erst mit 14 Jahren stieg sie von Ski auf Snowboard um. Damals fuhr sie jeden Freitag mit dem Zug ins Dachstein-Gebiet und profitiert davon bis heute: „Ich habe viel gelernt, weil ich nicht nur im Powder gefahren bin, sondern bei allen Schneeverhältnissen.“ Höhenangst hatte sie sowieso nie.
Worum geht es ihr nun in der Saison 2019/2020? Manuela Mandl will sich „weiter steigern, höher und weiter springen, schöner snowboarden und die Komplexität der Sportart vermitteln“. Die vier Bewerbe der Qualifikation finden ab Jänner in Japan, Kanada, Andorra und Österreich (Fieberbrunn) statt. Man muss also ab Tag eins performen, um beim Finale der Freeride World Championship in Verbier in Frankreich mitmachen zu dürfen.
Wenn sie im Zuge des Profisports tolle Ecken der Welt bereist, wie etwa in Japan oder Neuseeland, versucht sie auch das kulturelle und architektonische Umfeld in den Blick zu nehmen. Snowboarden ist für sie letztlich auch ein Vehikel, um andere Dinge zu tun. Etwa Filme wie Through Darkness zu produzieren.
Wie geht Manuela mit den Auswirkungen des intensiven Schneetourismus auf Klima und Umwelt um? Seriöse Studien prognostizieren, dass es 2050 keinen Schnee mehr in den Alpen geben wird. Ist das Snowboarden wie das Sesselrücken an Bord der Titanic, um das Orchester spielen zu hören? „Ich esse Bio-Lebensmittel, teile mein Auto und engagiere mich bei nachhaltigen Sponsoren. Ich bin bei Protect Our Winters Austria aktiv, wo wir überlegen, was für unseren Sport nötig ist. Das Motto lautet: Schütze was du liebst.“
Natürlich ist sie kein ideales Role-Model für den Klimaschutz, aber sie versucht das richtige Leben im Falschen zu führen. Abseits des Profisports geht sie gerne Splitboarden, das Pendant zu Skitouren mit einem teilbaren Snowbard: „Der Wintersport hat in Österreich so eine große Bedeutung. Wenn alle darin engagierten Menschen ihr Hirn einschalten, ist das auch ein riesiger Hebel.“ Ihre Eltern unterstützen sie bei ihrer Leidenschaft mit der Vorstellung, „dass ich eh keinen Blödsinn mach’“.
Ihre Oma in Deutsch-Wagram kann jedenfalls nicht bei den Bewerben zusehen. Manuela zuckt mit den Schultern: „Mir macht halt etwas Risikoreiches Spaß.“ Als Trainingsbuddy in Wien hat sie eine skifahrende Kollegin. Gemeinsam machen sie auf der Spielplatzwippe gerne Stabilitätsübungen. Und wie geht sie damit um, dass gerade Wienerinnen und Wiener im Westen Österreichs nicht so gerne gesehen sind? „Ich bin stolze Wienerin und schätze die Herkunft aus diesem internationalen Schmelztiegel. Ich bin stolze Österreicherin und Europäerin und sage inzwischen gerne wieder bewusst und oft das Wörtchen ‚ur’“... spricht sie und läuft los auf eine Trainingsrunde.
Am Podest A.Orlova (RUS), M. Haerty (FRA) und M. Mandl 2019, © RBC/Adam Klingeteg
Was gibt es nur in Wien? Gibt's vermutlich in einigen Städten – aber die Kombination aus Menschen wie zum Beispiel am Yppenplatz – also Hipster und Hackler, UrwienerInnen und NeuwienerInnen auf kleinstem Raum ist für mich einzigartig.
Was ist dein Lieblingsplatz in Wien? Ich mag mein Grätzl zwischen Manner Fabrik und Ottakringer Brauerei. Und ich sitz gern auf irgendwelchen Parkbänken und tu Leute schaun.
Wonach riecht/schmeckt Wien? Nach gutem Kaffee.
Wo trainierst du gerne? Im Wienerwald und auf der Donauinsel – wenn nicht so viel Zeit ist, gibt’s aber auch wirklich viele Trainingsstationen in den Parks.
Was wünschen einander Snowboarder vor der Abfahrt? Da gibt’s nix Spezifisches – was ich schon öfter sage ist 'Send it' – vielleicht zu übersetzen mit 'Hau dich gscheit runter' – und 'gscheit' heißt dann wieder spektakulär und intelligent
Was vermisst du an Wien, wenn du in Innsbruck bist? Das wirklich internationale Flair und auch die kulturelle Vielfalt, was zum Beispiel Museen und Konzerte betrifft. Und natürlich vermiss ich auch meine Familie.
Was ist dein Wiener Lieblingsgericht? Erdäpfelgulasch und Knödel mit Ei.
Für welchen Verein schlägt dein Herz? Ich bin froh, durch die WS Crew immer wieder inspirierende Leute zu treffen, finde die Arbeit des Alpenvereins extrem relevant und meine sportliche Heimat ist der Wiener Skiverband.
Was ist deine Botschaft für Wien? Nur ned stressen lassen. Pomali. Resilienz durch Langsamkeit. Habt’s euch gegenseitig lieb. Und das ein oder andere Hundstrümmerl hat noch niemanden umgebracht. Ich finde nämlich, dass du, mein liebes Wien, zu den entspanntesten Großstädten überhaupt gehörst, und hoffe, dass das so bleibt und auch als Qualität gesehen wird.
Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.
Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.