Name: Clemens Maria Schreiner, 1989 zufällig in Leoben geboren, aufgewachsen in Graz, lebt seit 2008 in Wien Fünfhaus und ist von Beruf Kabarettist.
Clemens Maria Schreiner ist durchaus ein verständlicher und eingängiger Name für einen Kabarettisten zwischen Leoben und Wien. Der zweite Vorname ist klassisch und vereint ihn mit kulturellen Größen von Rilke bis Brandauer. Im Web firmiert er dennoch lieber unter „Rampensau“. Das eben jene in ihm steckt, war schon recht früh klar: „Ich war so ein Kind, das am Geburtstag der Oma auf einen Sessel steigt und ein Gedichtchen aufsagt. Oder gleich eine Rede improvisiert. Es wurde also rasch erkannt: Es entlastet das Umfeld, wenn man das kanalisiert.“
Seine Eltern waren theateraffin, aber die erbliche Veranlagung für eine Bühnenkarriere nicht so stark wie beim Hörbiger-Clan. Die klassische Einstiegsdroge war das Schultheater und für Clemens hatte die Disziplin „Menschen zum Lachen bringen“ rasch den größten Reiz. Er schrieb eigene Texte, reichte sie für einen Wettbewerb ein und gewann mit 15 Jahren als mit Abstand jüngster Newcomer den „Grazer Kleinkunstvogel“. Damit verbunden war die Auftrittsmöglichkeit mit einem abendfüllenden Programm im renommierten Grazer Theatercafé.
In großer „jugendlicher Hybris“ schrieb er sein erstes Programm fort.UND.weg 2005 im stillen Kämmerchen. In den Ferien davor spielte er Sommertheater in Winterthur, was im Ausschlussprinzip den Weg in die Kabarettkarriere mit ebnete. Vor der ersten Premiere war er so entspannt, wie danach lange nicht. Das Programm funktionierte, er spielte es recht viel, wenn auch mit eingeschränktem Radius.
Bis zur Matura an der bilingualen Schule chauffierten Opa oder Eltern den Teenager zum jeweiligen Veranstaltungsort. Nur ein Jahr später bracht er „UNzensiert“ auf die Bühne. Bei seiner zweiten Premiere war er so nervös, wie danach nie mehr. Mit 18 hatte er die Basics der großen Freiheit in der Tasche: Matura, Führerschein, Bankomatkarte... und zog nach Wien. Clemens studierte Publizistik – oder wie er es nennt „Sammelpool der verlorenen Seelen“ - jobbte und brachte alle zwei Jahre ein neues Programm heraus.
Manche Kabarettisten sind als Schauspieler aktiv, auch er nahm Unterricht. Aber er genießt den Luxus, für alles selbst verantwortlich zu sein. 2016 trat er mit seinem Bubengesicht erstmals im ORF-TV-Format „Was gibt es Neues?“ auf, das auch vom Kräftemessen verschiedener Kabarettgrößen lebt. Unter den Kolleginnen und Kollegen gibt es keine Wadlbeißerei, „wohl weil wir selten in der Situation sind, dass wir gemeinsam bei einem Casting sind und nur einer die Rolle kriegt“, meint der jugendliche Kabarettveteran.
Er macht sein halbes Leben Kabarett und kann seit ein paar Jahren auch davon leben. Am 15. Oktober hat das neue Programm „Schwarz auf Weiß“ Premiere und das Oberthema sind Fake News. Soviel sei verraten: Er bietet komplette Quellentransparenz. Auf der begleitenden Webseite wird offengelegt worauf er sich genau beruft, wenn er den beliebten Satz „Eine Studie hat ergeben“ fallen lässt.
Österreichs Szene ist vielfältig, die Tradition des politischen Kabaretts lang und viele Kollegen sind schon lange im Geschäft. Er selbst macht kein tagespolitisches Kabarett: „Für mich ist das zweischneidig, weil du mit der Grundaussage ‚Politiker sind alle Trotteln’ relativ breite Zustimmung erreichst.“ Gesellschaftspolitische Themen halten länger, im Schnitt ist man mit einem Programm vom Schreiben bis zur Dernière rund 3,5 Jahre beschäftigt. Sein Erfolgsrezept in Kürze: Machen was ihn interessiert, die Nische, die Humorfarbe und das Publikum finden und in einer bunten Szene mit dem eigenen Ding bestehen. „Ich hasse die Kurzstrecke. Fünf Minuten Auftritte sind mir ein Graus. Ich erzähle gerne Geschichten und baue lange Spannungsbögen, baue mir die ganze Umgebung und räume sie dann mit ab.“
Ihn interessieren die Kleinigkeiten, die Winkel der Buzzwords in der Praxis, um Seifenblasen zum Platzen zu bringen. Er nimmt gerne seine Generation auf die Schaufel. Die Kinder der 90er-Jahre umschreibt er mit „zu jung fürs Burn-out und zu faul für Amok“ inmitten vieler Wahlmöglichkeiten, ausgesetzt dem Segen und Fluch von Internet und smarten Gadgets. Aber als typischen Vertreter seiner Generation will er sich nicht bezeichnen, weil sich genau das aufgelöst hat. Wenn es noch etwas Verbindendes gibt, dann die analoge Kindheit und digitale Jugend. Er ist aber froh, dass die „Instagramability“ des eigenen Lebens ihn mit 12 Jahren noch nicht betroffen hat.
Die vier Phasen der Programmentstehung beschreibt er wie folgt: Man spielt das aktuelle Programm und genießt, wenn es gut läuft. Nach einem halben Jahr stellt man wieder die Antennen auf und hat immer ein Notizbuch für Alltagsbeobachtungen und „halbakademische“ Recherche dabei. Für „Immer ich“ beschäftigte er sich mit Technik, künstlicher Intelligenz und Automatisierung.
Phase zwei ist toll weil „afoch ois a guade Idee is“, man macht einen Titel und einen ersten Pressetext für etwas mehr produktiven Zwang. Der Teetrinker arbeitet gerne im Kaffeehaus, weil sich Zuhause nicht bewährt hat. „Wenn die Wohnung blitzt und blinkt und das Drei-Gang Menü auf dem Tisch steht weiß meine Freundin: Heute war kein guter Tag zum Schreiben“.
In Phase drei zeigt man das Geschriebene einem Regisseur – in seinem Fall seit vielen Jahren Leo Lukas -, der dann eine Außensicht einbringt. Gemeinsam schälen sie in Phase vier heraus, wo er an dem Abend hinwill und wie man es dem Publikum rüberbringt. Auf Tournée genießt er die Möglichkeit, die Heimat auf ganz hohem Niveau neu kennenzulernen mit kulturellen Nahversorgern an ganz vielen Orten.
Auch die Bandbreite der Künstlergarderoben und der technischen Ausstattung machen sein Leben spannend: „Was für ein Besenkammerl zu klaustrophobisch wäre, ist als Garderobe solider Standard. Und wenn der Veranstalter sagt, bei der Technik ‚hamma eh ois’, lohnt sich eine Nachfrage“. Er hat schon einmal die erste Hälfte des Programms gekürzt, damit die Scheinwerfer nicht überhitzen. Und wie steht es heute, wenige Tage vor Premiere Nummer acht mit dem Lampenfieber? „Ich habe Glück mit meiner late onset stagefright: Bei mir kommt das 15 Minuten vor dem Auftritt und das ist genau der richtige Moment für das Adrenalin.“
Was sind für dich Kreativitätsbooster? Ich arbeite sehr gut unter Druck. Und ich beschäftige mich gerne mit ganz trockenen Sachen und denke sie einmal ums Eck.
Sehen dich die GrazerInnen als Abtrünnigen? Ich glaube, es gibt viele Menschen, die Wien nicht mögen. Aber nur sehr wenige, die Wien gut kennen und immer noch nicht mögen.
Was gibt es nur in Wien? Was Wien ausmacht ist die Balance. Eine Stadt in der Größe, so groß, lebendig und kulturell vielfältig. In Kombination mit der Effizienz, dass alles funktioniert, der Sicherheit. Dennoch bleiben verschiedene Ecken, wo sich alles irgendwie ausgeht. Wien ist genauso Innere Stadt wie Simmering.
Hast du ein Lieblingsgericht? Das ist sehr situationsabhängig. Aber wenn du um halb vier in der Früh eine Käsekrainer am Würstelstand isst, ist an dem Abend schon viel gut gelaufen. Da ist ja viel verknüpft: Man hatte superlange, spannende Gespräche gehabt, weil sonst landest du dort gar nicht. Im Wirtshaus mit Hunger eventuell ein Surschnitzel mit Erdäpfelsalat.
Dein Wiener Lieblingswort? Mich fasziniert das urösterreichische „paaassst“, wie es Gunkl unvergleichlich definiert hat und nur in Österreich funktioniert. Oder eh!
Hast du Lieblingsorte in Wien? Zum Arbeiten verbringe ich gerne Zeit im Café Weidinger, Café Jelinek, Café Sperl, wenn ich auch ein paar Touristen beobachten will. Zum Spazieren mag ich die Steinhofgründe und im Sommer bin ich gern an der Donau.
Deine Lieblingsbühne in Wien? Im Kabarett Niedermair spiele ich sehr oft. Der Ruf des Hauses ist deutlich größer, als das Haus selber, wie sie selbst sagen. Da passen genau 100 Leute rein.
Welche Kollegen und Kolleginnen schaust du gerne an? Ich versuche jedes Jahr bei den Vorrunden des Grazer Kleinkunstvogels dabei zu sein und bin immer wieder in der Jury. Ich mag Berni Wagner, Sonja Pikart, Flüsterzweieck, die Radeschnig Zwillinge und Homajon Sefat sehr gerne.
Was machst du, wenn jemand sagt: Erzähl’ mal was Lustiges, du bist doch Kabarettist? Also fürs Lachen muss man bei mir Eintritt zahlen. Ich erzähle dann seit Jahren immer den gleichen Witz und nach dem fragt garantiert niemand nach einem zweiten.
Deine Botschaft für Wien? Für mich darf Wien an ganz vielen Stellen genau so bleiben, wie es ist.
Clemens Maria Schreiner
„Schwarz auf Weiß“
Premiere am 15. Oktober 2019 im Kabarett Niedermair
weitere Termine: rampensau.at
Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.