Meine Stücke sind sehr urban

Gudrun Gross fotografiert von Nini Tschavoll

Name Gudrun Gross, geboren 1978, in Wien, wohnt in der Leopoldstadt Nähe Mexikoplatz, ist von Beruf Keramikerin.


Für den Abschluss des Keramikstudiums an der Kunstuniversität Linz entwarf Gudrun Gross vier Kaffeetassen, in denen sich ihre Wiener Herkunft mit Augenzwinkern spiegelt: Die Espresso-Tasse Giulia (mit edler Platinbemalung), die Tasse Melissa, welche eine klassische Trichterform für Kaffeefilter aufgriff, die GUDshapes-Propaganda-Tasse für eine Wiener Melange, wie sie in der Monarchie beliebt war, und ein halbkugeliges Schälchen aus feinem Knochenporzellan für Türkischen Kaffee, aus der sich trefflich im Satz lesen lässt.

Das erste Mal in Berührung mit der Materie (im Wortsinn) kam sie in der Schule für Kindergarten-PädagogInnen: „Mir hat Ton getaugt und ich habe sogar in Werken maturiert“. Anschließend war sie ein Jahr in Boston als Au pair und besuchte dort einige Töpferkurse. Eine gute Vorbereitung, denn das Handling einer Töpferscheibe ist auch Übungssache und wird an an der Universität eher nicht unterrichtet.

Heute gießt sie mehr Porzellan in Gipsformen. Inspirierend waren für die Wienerin ihre drei Semester als Auslandsstudentin an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam. Ihr gefiel der Zugang, „der nicht von technischen Notwendigkeiten ausging, sondern von einer Idee, die man verwirklichen würde, wenn man alles Geld der Welt hätte“.

Nach ihrer Rückkehr nach Wien war sie zehn Jahre lang Mitglied der Offenen Keramik im WUK und machte dort ihr Ding. Im Nebenjob betreute sie Führungen in der Augarten Porzellanmanufaktur. Gudrun kann also berufen über die Geschichte, die Technik, das Material und seine Eigenschaften erzählen. Sie macht Gebrauchsgegenstände.

Solche für die tägliche Benutzung wie Becher, Tassen, Schalen, Platten und Schüsseln und weniger alltägliche wie Kerzenständer, Ohrringe und Vasen. Sie alle müssen funktionieren, weshalb mancher Prototyp schon verworfen wurde.

Die Zeit im WUK war schwierig, weil Wertschätzung für Handarbeit in Wien noch nicht sehr stark entwickelt war. Immer wieder fühlte sich die Keramikerin genötigt zur erklären, was sie tut, und welche Berechtigung das Handwerk neben den Industrieprodukten von IKEA hat. Sie glaubt, dass handgemachte Keramik und Porzellanobjekte in den Alltag hineinwirken: „Man greift sie anders an, man benutzt das Geschirr bedächtig, ich finde, alles schmeckt besser.“ Gudrun Gross will sich allerdings künftig vom Essbereich noch mehr in den Wohnbereich vorarbeiten – mit Lampenschirmen.

Was reizt sie an dem Material, das so transformiert wird? Vom Tonklumpen zur Vase – vom flüssigen Porzellan zum wasserdichten Becher mit Siebdruck. Die Designerin schätzt, „dass meine Körperkraft gefragt ist, um das Werk zu formen“. Vom Schleppen der Säcke mit Porzellanpulver, dem Anrühren, dem Drehen oder Gießen, dem Schütten, dem Formen mit Schwamm, dem Tauchen in Glasur wobei die Arbeitsschritte wechselhaftes Zupacken erfordern.

Abends sind ihre Hände jedenfalls müde und müssen ruhen. Sie wurden etliche Male am Tag gewaschen, weil fettfrei gearbeitet wird.

Eine wesentliche Weiterentwicklung erfuhr ihre Arbeitsweise durch drei aufeinanderfolgende Sommer im Handwerkshaus der Künstlerstadt Gmünd in Kärnten. Werkte sie davor am liebsten alleine, hoch konzentriert, hinter verschlossener Tür, hat sie heute kein Problem damit, dass ihr Leute bei der Arbeit zuschauen und sie unterbrechen.

Seit 2012 hat sie Schauraum und Werkstatt glücklich in der Glockengasse vereint. Das kollidiert nicht mit ihrer strukturierten Arbeitsweise: „Ich bin sehr effizient und arbeite mit einem Jahresplan. Ausgewählte Markttermine, ein- bis zweimal pro Jahr erneuere ich Gipsformen und entwerfe neue Modelle. Und ich töpfere am Stück, denn da kommt man mit der Zeit immer mehr hinein. Das sollte man nicht tageweise machen“. Töpfern gelingt ihr in der falschen Stimmung nicht. Gießen kann sie auch grantig. Neue Ideen bereitet sie bestmöglich vor. Wenn sie alles durchgedacht hat, macht sie genau einen Versuch – und der bewährt sich und wird eine Serie. Oder eben nicht.

Manche ihrer Stücke kommen in geschwisterlicher Kooperation zustande. Gudruns Schwester Gerda ist Grafikerin und hat die GUDshapes Corporate Identity von der Drucksorte bis zur Geschäftsausstattung erschaffen. Immer wieder kommt sie mit Grafik-Elementen und sagt „Mach was draus!“. So entstand etwa der Grübelbecher (mit ? in den verschiedensten Schriften) oder die Objekte mit Piktogrammen, die mit Glasur und Textur interagieren. Die Inspiration bezieht sie aus ihrem Alltag als urbaner Mensch, deshalb sind „meine Stücke auch sehr urban. Das spüre ich, wenn ich sie Objekte außerhalb von Wien anbiete. Der Gmundner Markt war schwierig“.

Sind die KeramikerInnen in Wien gut vernetzt? Es wird immer besser. In meinem Grätzel kenne ich weitere Keramikerinnen und auch Märkte sind ein guter Treffpunkt für Austausch und neue Kontakte. Ich bin heute soweit, einfach mal KollegInnen zu fragen, welche Erfahrungen sie haben oder machen. Da gibt es noch mehr Potenzial.

Für was kannst Du dich in Wien begeistern? In Amsterdam habe ich mir das Radfahren angewöhnt. Ich mag es, dass man Wien heute auch mit dem Rad entdecken kann. Ich bin eine Alltagsradlerin und erlebe die Stadt so ganz anders. Oft bin ich auch mit meinem Anhänger unterwegs, um Rohmaterialien zu kaufen. Oder auch für Marktware.

Wo verbringst du die Wochenenden? Wenn ich ganz abschalten möchte und etwas Zeit habe, gehe ich in die Berge. Mein Lieblingsberg ist die Rax. Wenn ich mehr Zeit habe, wandere ich in den Hohen Tauern und im Toten Gebirge. Ich habe schöne Gipfel natürlich auch schon auf Keramik modelliert. Ich habe sonst kein Talent für 2-D, aber Silhouetten sind einfach zu fotografieren. Wenn ich mich einfach ausruhen muss, habe ich das Sonntagsbuch eingeführt.

Was ist ein Sonntagsbuch und welches hast du zuletzt genossen? Ein Sonntagsbuch ist leicht zu lesen und nicht zu dick. Es sollte möglichst an einem Sonntag zu schaffen sein – also etwa 120 Seiten. Ich lese dann den ganzen Tag auf der Couch. Putze nicht, wusle nicht herum. Gut geeignet war etwa  „Gruber geht“ von Doris Knecht. Mein Lieblingsbuch dieses Jahr war „Aussichten sind überschätzt“ von Rosemarie Poiarkov – das war aber kein „Sonntagsbuch“. Schauplatz ist der 2. Bezirk in Wien.

Siehst du dir gerne Filme an? Ich habe keinen Lieblingsfilm, aber ein Lieblings-Kino. Das Gartenbaukino ist wunderbar. Selbst Menschen wie ich, die große Menschenmassen meiden, fühlen sich ob der Großzügigkeit und in dem festlichen Rahmen immer wohl. Zuletzt habe ich „Jackie“ im Kino am Dach gesehen.

Wie pflegst du deine strapazierten Hände am Ende eines Arbeitstags? Ich benutze sorgfältig verschiedene Handcremes. Ich denke, dass es auf diese Abwechslung auch ankommt.

Was hörst du bei der Arbeit? Meistens Klassik. Ich schalte Ö1 ein und wenn ich das Programm nicht mag, lege ich Beethoven Sonaten auf. Übrigens auf Kassette.

Wieso das? Kassetten bewähren sich in einer staubigen Werkstatt und ich kann sie auch mit staubigen oder gatschigen Fingern umdrehen. Ich habe auch eine David Bowie und eine Kate Bush Kassette, die ich sehr mag.

Dein allerliebster Lieblingssong? Ich habe eine Handvoll Ohrwürmer z.B.  Wuthering Heights  von Kate Bush.

Gehst du gerne essen? Meistens koche ich selbst. Wenn ich mal auswärts etwas essen oder trinken mag, gehe ich gerne ins „Automat Welt“ am Volkertmarkt.

Wien schmeckt nach...? Powidl

Was isst du am liebsten in Wien? Zwetschkenknödel

Gibt es Orte in der Stadt, die dich inspirieren? Laufen auf der Prater Hauptallee ist schön, das mache ich meist gegen Abend. Ich liebe die verschiedenen Lichtstimmungen und wie sich die Allee im Jahreszeitenverlauf verändert.

Was willst Du Wien ausrichten? Wien, du hast dich prächtig entwickelt in den letzten Jahrzehnten – weiter so!

gudshapes.at

 

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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