Gereifte Genüsse nach reiflicher Überlegung

Jasmine Letschnig fotografiert von Roland Wetzel

Name: Jasmine Letschnig, geboren 1973 in Klagenfurt, wohnt in der Nähe von Heidelberg und verkauft österreichische Feinkost in Schwetzingen (D).


Genuss braucht Zeit. Und zwar nicht nur beim Verspeisen, sondern auch beim Erzeugen der Lebensmittel. Das ist der Leitgedanke von Jasmine Letschnig, die Anfang September
Genuss x Zeit - Die Österreichische Botschaft“ in Schwetzingen (Baden-Württemberg) aufgesperrt hat. Nach vielen Jahren als Unternehmensberaterin im Industriebereich in Führungsposition lebt die gebürtige Kärntnerin, Wahlwienerin und Food-Fachfrau nun ihre Berufung als Gastronomin im Sinne Brillat-Savarins aus.

Mit ihrem Feinkostgeschäft samt angeschlossenem Imbiss (Kaffeespezialitäten, Kuchen und natürlich Brettljaus’n) möchte sie Österreich auf der kulinarischen Landkarte Deutschlands verankern. Viele ihrer KundInnen – darunter einige Österreich-Urlauber – meinen, dass „der Österreicher“ sich mehr Zeit zum Essen nimmt: „Das ist vielleicht nur ein Klischee, aber das ist meine ‚österreichische Botschaft’.“

Sie hat viele Produkte der Genussregionen aus ganz Österreich im Programm. Gereiftes vom Turopolje Schwein und Mohnprodukte aus dem Waldviertel, Lustenauer Senf, Kärntner Käse von der Kaslab’n und von Nuart, Steirische Schokolade von Zotter, Essige von Gölles und Grossauers Edelkonserven. Aus Wien kommen Pischinger, Wiener Zuckerl, Wiener Salon Nougat, Kalê Likör usw.

In ihrem Geschäft, dessen Namen man als Genuss-Ma(h)l-Zeit liest, würdigt sie gutes Essen und Trinken, handwerkliche Produktion, kleine (Bio-) Lieferanten und gereifte Genüsse. Den Standort hat sie sorgfältig gewählt. Die geschichtsträchtige Kleinstadt Schwetzingen in der Rhein-Neckar-Region hat ein Schloss, das auch Tagesgäste anzieht. Kurfürst Carl-Theodor, der Schlossherr, der nie Krieg führte, sondern sich den schönen Dingen des Lebens Essen, Kunst und Kultur zuwandte, prägt Schwetzingen bis heute.

In der Umgebung wird seit 350 Jahren Spargel angebaut und liegt nahe den Genusszentren Pfalz und Frankreich. Mozart war dreimal da, Schiller war auch da und heute liegt es logistisch günstig an der Autobahn. Die Österreichische Botschaft ist im Gebäude einer denkmalgeschützten ehemaligen Konservenfabrik eingemietet, die gut zum Altwiener Flair passt. „Im Plattenbau hätte ich das nicht aufgesperrt“, sagt Jasmine trocken.

Der Entschluss der WU-Absolventin war gut vorbereitet. Sie absolvierte ein Master-Studium an der University of Gastronomic Sciences in Pollenzo (Italien), wo sie Know-how und ein großes (Slow-) Food-Netzwerk aufbaute. Ende Juli 2016 brach sie ihre Zelte nahe Heidelberg ab und übersiedelte für 14 Monate mit Mann und Kind nach Italien. Lebte sich wieder ein ins Studieren. Mit Ausflügen, Studienreisen, Seminararbeiten, Unterricht und Prüfungen.

Nach dem Abschluss ihrer Masterarbeit über geröstetes Jauntaler Sonnenblumenöl ging sie in sich und kam mit dem Wunsch nach Eigenständigkeit wieder aus sich heraus. Jasmine gab einer Leidenschaft nach, die ihr vertraute Menschen bereits lange kannten. Auch MadameWien wurde oft mit Spezereien bewirtet, die Jasmine aus einer taschentuchgroßen Küche in Ottakring hervorzauberte.

„Momentan gehe ich um 8 Uhr aus dem Haus und komme um 21 Uhr zurück, weil ich noch keine fixen Mitarbeiter habe“, erklärt sie. Diese einzuschulen und die Löhne zu erwirtschaften, braucht eben auch Zeit. Aber sie ist vergnügt und beruft sich auf eine starke familiäre Ader: „Das habe ich wohl von meiner Oma: Die Idee von guten Lebensmitteln, selbst kochen und gelebter Gastfreundschaft. Sie hatte ein Wirtshaus in der Nähe einer Wallfahrtskirche. Und auch als es schon längst geschlossen war, haben Wallfahrer bei ihr noch zu essen und zu trinken bekommen.“

Auch im letzten Job war sie viel unterwegs und durfte tolle Kunden beraten. Aber Lebensmittel machen einfach mehr Freude und die steht den Menschen ins Gesicht geschrieben: „Ich bekomme sofort Feedback zu meiner Arbeit“. Zum Beispiel ein Lächeln.

Die Kunden lockt sie „mit dem begrenzten Exotismus von Österreich. Es ist nah genug, um es zu verstehen und weit genug weg, um anders zu sein“, erklärt sie. Aus ihren Food Studies weiß sie, „dass Essen nicht nur emotional, sondern auch politisch ist.“ Aber das streicht sie der Kundschaft nicht gleich aufs Brot: „Ich hoffe, dass ich da nicht zu subtil bin, weil es für mich selbstverständlich ist. Ich taste mich heran“. Der politische Ansatz von Slow Food kommt in Österreich und Deutschland nicht immer an. Es wirkt meist so, als würden sich hier Besserverdiener treffen, die gut essen wollen. „So entsteht ein falsches Bild. Es geht auch um Fairness, Teilen, Netzwerke, Nachhaltigkeit und Soziales.“

Also kommt der Kaffee konsequenterweise vom kleinen Röster, die Biofrischmilch in die Mélange und den Großen Braunen und aufs Brot eine Fasslbutter aus Heumilch. Als Sprach-Switcherin zwischen Bleiburg/Pliberk und Heidelberg Umgebung versucht sie, sprachlich wieder mehr nach Hause zu kommen: Das Österreichische wieder mehr hervorzuholen.

Was hat Dich bewogen, ein Geschäft zu eröffnen? Ich wollte meine eigene Chefin sein und „gut essen" entlang der Wertschöpfungskette etablieren. Ich interessiere mich dafür, woher meine Lebensmittel kommen und arbeite ehrenamtlich im regionalen Slow Food Convivium.

Was ist Dein Bestseller? Marillenmarmelade aus der Wachau, Salami aus Kärnten und Speck. Manche hätten liebend gern Kaiserschmarren. Aber dafür hab ich noch nicht die Kapazitäten. Auch Sachertorte und Linzerschnitten, die ich von einer jungen Konditorin bekomme, gehen wie warme Semmeln.

Was machst Du als erstes, wenn Du in Wien bist? Ein Schnitzel oder einen Backhendlsalat essen im Rebhuhn. Oder im Cafe Prückel Milchbrot mit Butter und Marillenmarmelade oder eine Buttersemmel mit Salz bestellen.

Was vermisst Du an Wien? Die Vielfalt an Kulturen, auch beim Essen, die Nonchalance und Gemütlichkeit. Als ich aus Wien weggegangen bin, blieb die Sehnsucht nach diesem städtischen Angebot. Außerdem bin ich relativ spontan: Wenn jemand zu mir kommt, gibt es etwas zum Essen und Trinken. Das gehört dazu, so bin ich aufgewachsen. Essen zu teilen ist Gastfreundschaft. Diese Selbstverständlichkeit jemandem etwas Gutes zu tun. Das stößt hier oft auf Verwunderung.

Wo ist Schwetzingen wie Wien? Im kulturellen Angebot, halt auf der Skala von 23.000 EinwohnerInnen.

Wo ist Wien wie Schwetzingen? Stolz auf die Geschichte.

Wien riecht nach...? Rindssuppe mit Nudeln – so wie das Cafe Bräunerhof.

Wo ist Wien unschlagbar? Bei der Kaffeehaus-Kultur, aber noch nicht bei der Kaffeekultur.

Dein Lieblings-Wienklischee? Der grantige Ober. Und "Alle Wiener sitzen im Kaffeehaus".

Deine Wiener Lieblingsspeise? Backhendl und Tafelspitz natürlich!

Eine denkwürdige Nacht in Wien? Es gab viele und sie endeten oft mit einem Frühstück am Naschmarkt.

Deine Botschaft für Wien? Bleib wie du bist im stetigen Wandel! Das Altbekannte ist schön. Es ist aber auch schön zu sehen, wie es sich verändert.

 

 

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