Name: Kilian Kaminski geboren 1990 in Hamburg, seit Sommer 2017 in Wien, wohnt in Wien Margareten. Er ist einer von drei Gründern von refurbed, einer Plattform für kompletterneuerte Elektrogeräte.
Es ist wohl noch nicht entschieden, ob bewusster Konsum das Warenangebot großer Firmen wirklich rasch genug in Richtung Nachhaltigkeit verschieben und den Zustand des Planeten verbessern kann. Für den Einkauf von Haushaltselektronik arbeiten Peter Windischhofer, Kilian Kaminski und Jürgen Riedl seit dem Sommer 2017 von Wien aus an einer Geschäftsidee, die Gewissen, Geldbörse und Nerven schont.
Die drei Gründer haben mit “refurbed” eine Plattform für vollständig erneuerte elektronische Geräte in bester Qualität aufgesetzt. Einen Marktplatz für günstige, ressourcenschonende und garantiert funktionstüchtige Alternativen zu Neugeräten.
Zwei Jahre später macht refurbed bereits in Italien, Deutschland, Österreich und Polen generalüberholte Geräte für Konsumentinnen und Konsumenten unkompliziert verfügbar: Laptops, Mobiltelefone, Tablets, Küchenmaschine, Staubsauer, Mikrowelle... .
„Make Dampfbügeleisen great again“, formuliert es der gebürtige Hanseat Kilian Kaminski lächelnd. Der 28-jährige „Zuagraste“ ist einer der drei Gründer, die die Idee des Oberösterreichers Peter Windischhofer (29) zum Fliegen bringen wollen.
Im ersten Jahr schupften die drei Musketiere im klassischen Start-up Stil noch alles allein. Ende 2018 hatten sie bereits 23 MitarbeiterInnen. Aktuell wurden Kilian und Peter vom Magazin Forbes in der Kategorie „Retail & E-Commerce“ zu den „Besten 30 unter 30 (Jahren)“ in Europa nominiert. Die Info kam per Mail und ist „eine Riesenauszeichnung und eine tolle Bestätigung für unser Team“, freut sich Kilian.
Refurbishment als Geschäft hat sich vor 15 Jahren im b2b-Bereich etabliert, weil Firmenkunden Leasinggeräte nach einer bestimmten Laufzeit gleich kistenweise retournieren und dann neue Laptops, Firmenhandys oder Tablets beziehen.
Was unterscheidet jetzt das professionelle Refurbishment vom Handydoktor ums Eck, der einem das Smartphone für alle Mobilfunkanbieter entsperrt oder das gesplitterte Display ersetzt? „Unsere Partnerunternehmen arbeiten im Reinraum und nicht im Hinterzimmer. Teilweise sind die Firmen auf bestimmte Geräte spezialisiert, haben also 500 bis 5000 pro Woche auf dem Tisch. Alle Geräte, die auf refurbed wieder in den Verkauf gelangen, wurden von berufenen Leuten auseinander geschraubt. Software und Hardware wurden schrittweise geprüft und wo nötig Original-Ersatzteile eingebaut“, beschreibt Kilian die Ansprüche.
Während einer Probezeit werden auch die Kundenfeedbacks genau unter die Lupe genommen. Es wird also das gesamte Gerät genau angesehen, nicht nur auf Verdacht der Akku ausgetauscht, weil der ein bekanntes Verschleißteil ist. Meist müssen bei einem Smartphone nur 2 von 150 Komponenten ersetzt werden und es geht wieder tadellos. Die Geräte sind wie neu und haben wieder Garantie. Es werden aber bei der Generalüberholung weniger Ressourcen (etwa Metalle der sogenannten Seltenen Erden), als bei der Herstellung eines neuen Geräts verbraucht. Und es fällt rund 70% weniger Kohlendioxid an. Die refurbed Produkte sind zudem rund 40% günstiger.
Aber weil das den refurbed-Machern nicht ausreicht, kooperieren sie für die Kompensation zusätzlich mit Eden Projects, einer Organisation, die auf die Gegebenheiten vor Ort angepasste Baumsorten in Nepal, Haiti und Madagaskar pflanzt. Das mit dem „Baum pflanzen“ auf der „To-do-Liste des Lebens“ haben die drei jungen Männer mit bisher rund 30.000 Stück schon abgehakt. Kinder haben sie noch nicht, aber die Welt als einen lebenswerten Platz zu übergeben, ist für sie definitiv eine starke Motivation.
Weltverbesserung muss auch profitabel sein, sonst klappt sie nicht. Das haben sich die drei Gründer auf die Fahnen geheftet. Sie wollen mit ihren refurbed-Produkten die breite Masse ansprechen. Ob es um ein Mobiltelefon für ein Kind geht, ein Tablet mit Lernprogrammen, den Laptop für Studierende, das Smartphone für die Oma, den Computer oder die Mikrowelle für Zuhause. Alle sollen – wenn sie eine Anschaffung planen – an refurbed denken. Also weder herkömmliche Gebrauchtware ohne Garantie noch neue Elektrogeräte kaufen.
Die technischen Partner sind alle in Europa angesiedelt und in ganz Europa soll der Marktplatz in den kommenden Jahren auch auftreten. Deshalb besteht der Rest der 23-köpfigen, internationalen und überwiegend weiblichen Belegschaft aktuell aus Fachleuten für Marketing, Branding, Märkte, Videos, Design oder Social Media. Der erste Werbespot, der seit Anfang 2019 in der RTL-Gruppe läuft, wurde inhouse produziert.
Der Markenname soll zum Inbegriff für generalüberholte elektronische Geräte werden, wie UHU für Kleber, Tempo für Taschentücher oder Tixo für Klebefilm. Sich Ziele zu stecken und Guidelines auszugeben, statt Arbeitsaufträge und Hierarchieebenen zu verwalten, gehört zur gelebten Firmenkultur.
Peter und Kilian kennen einander aus Shanghai, wo sie einen Teil ihres ‚Master in International Business’ absolvierten. Für den Abschluss zogen sie nach San Francisco und London weiter. Peter hat zuletzt für eine internationale Unternehmensberatung in Wien gearbeitet, Kilian bei Amazon in München refurbishment betreut. Jürgen wurde als Developer hinzugezogen, der alle Aspekte der Webplattform im Griff hat. Warum gründen diese jungen Menschen mit der Befähigung zum Engagement in der ganzen Welt ausgerechnet in Wien?
Wien und Österreich wollen sich als Start-up-Hub für CEE auf der europäischen Landkarte verorten. Das Angebot überzeugte die drei Gründer. Sie haben einschlägige Start-up-Events besucht, Pitches für sich entschieden, eine Förderung zugesagt bekommen, Financiers in einschlägigen Gründer-TV-Shows überzeugt, nahmen Mentoring in Anspruch und profitieren auch vom Wissen ihrer Business Angels. Sie finden an den heimischen Universitäten junge Talente und können Kräfte aus dem Ausland in die lebenswerteste Stadt der Welt rekrutieren.
Die Lage mitten in Europa überzeugt. Auch Kilian mit seinem durchwegs norddeutschen Naturell, präzise, organisiert und mit To-do-Listen bewaffnet, ist nach der Annäherung und Einschulung in Bayern gut in der Stadt angekommen. „Wenn es kein fließendes Wasser gäbe, auf das ich schauen kann, würde es für mich schwer. Aber Elbe, Isar und jetzt Donau - das geht für mich“, lacht er. So grantig, wie befürchtet, sind die WienerInnen nicht. Wobei der Deutsche fleißig Vokabeln lernt, wie er sagt.
Was ist dein Wiener Lieblingswort? Ich finde einige Worte lustig. Was ich aber sofort angenommen habe und selbst schon viel benutze ist die Phrase: Das geht sich aus.
Wo bist du gern in Wien? Am Wasser wie etwa am Tel Aviv Beach am Donaukanal, aber auch in den Weinbergen rundum.
Wo sieht Wien aus wie Hamburg? Schwierige Frage. Das Stadtbild mit alten Häusern ist sicher vergleichbar, auch wenn es Wien – im Gegensatz zu Hamburg – kaum Balkone gibt.
Wo ist Hamburg wie Wien? Wenn man aufs Wasser schaut, etwas Wind geht und einen Spritzer trinkt.
Einen Norddeutschen müssen wir eigentlich fragen: Schorle oder Bier? Inzwischen Spritzer. Aber ich habe mich ja vorgearbeitet. Von Hamburg, wo beides ging, nach München, wo du komisch angeschaut wirst, wenn du Bier nicht im Maß trinkst. Jetzt Wien, wo beides entspannt geht.
Was ist deine Lieblingsspeise? Kaiserschmarren. Das kenne ich schon von den Skihütten, die ich als Kind in Tirol besucht habe. Zwetschkenröster oder Apfelmus? Ich esse ihn mit beidem!
Wo gehst Du gerne essen? Mein Wiener Schnitzel esse ich am liebsten im Gasthaus Pöschl. Ich bin immer viel gereist und habe die Einheimischen gefragt, wo und was sie essen. Das hat sich auch in Wien bewährt.
Hast du einen Buchtipp für uns? “21 Lessons for the 21st Century” von Yuval Noah Harari.
Wenn du nach der Arbeit noch ausgehst: Was ist dein bevorzugtes Lokal? Ich gehe gerne in Bars wie z.B.: Tonstube, Miranda Bar, If Dogs Run Free.
Was läuft momentan am häufigsten in deiner Playlist? Moin Moin Hamburg von Die Hamburger Goldkehlchen. Der Chor wurde von Freunden von mir aus Hamburg gegründet.
Was ist deine Botschaft für Wien? Halt die Augen offen und schau’ dich um nach nachhaltigen Alternativen.
Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.