Der kulturelle Kampf auf dem Frauenkörper

Viele Frauen sind müde. Doch nicht nur die Pandemie hat sie erschöpft. Auf der Bühne des Werk-X in Meidling werden zwischen Betonmischmaschinen Fragen der Verteilung, das Negieren von strukturellem, patriarchalem Verhalten oder die Ungleichheit bei Care-Arbeit erörtert. „Mama, ich dachte alles ist schon erledigt?“, fragt ermattet eine junge Protagonistin. Ist es leider nicht.

Feminismus, in bestimmten Kreisen Schimpfwort, in anderen Mode, im besten Fall gelebte Praxis. Das Theaterprojekt „Weiberrat“ zeichnet die frauenpolitischen Erfolge und Rückschläge ausgehend von der Frauenbewegung der 70er Jahre, der sogenannten 2. Frauenbewegung, nach.

Drei Vorreiterinnen der Bewegung halten mit jungen, weiblich gelesenen Personen und Frauen von heute, Rat und blicken zurück auf ihre Befreiung: was war, was hat sich getan, was hat sich verbessert und was liegt – noch immer oder wieder - im Argen. Dagmar Klopf, Eva Laber und Nadia Trallori waren Teil dieser neuen Frauenbewegung in Österreich, die auch die Frauenzeitschrift AUF herausgab. Ihre bewegenden Biografien sind Teil der Inszenierung. Die drei Grandes Dames scheinen so gar nicht müde, ganz im Gegenteil: sie glühen vor Kampfgeist.

Die Darstellenden Julia Jelinek, Lara Sienczak und Nicola Schößler fragen nach, was die Generation vor ihnen erkämpft hat und loten aus, was davon übrig geblieben ist. Haben sich ihre Forderungen erfüllt? Welche Strategien waren erfolgreich und was können junge Menschen (Männer explizit mitgemeint!) heute lernen? Was macht heute noch wütend?

Gemeinsam wird ein Ventil für diese Wut gefunden, wenn allezusammen im Hexengewand Diskrimierung, Ungleichbehandlung, Gender-pay-Gap, Patriarchat und vieles mehr im lodernden Feuer verbrennen.

Fragen, die manchmal dieselben sind wie damals, manchmal aber auch neu und manchmal noch nicht zu Ende gedacht: Warum werden so viele kulturelle Kämpfe auf den Frauenkörpern ausgetragen? Der Blick auf den Kampf gegen den Abtreibungsparagraphen der 1970er darf nicht fehlen, auf das Polen von heute und auf das feministische Potential moderner Reproduktionsmedizin.

Die Frage nach konkreter österreichischer Frauenpolitik von heute muss offen bleiben, sie kann beim besten Willen nicht zufriedenstellen beantwortet werden. Sicher sind sich die Anwesenden - auch unter Einbeziehung des Publikums: an der Abschaffung des Patriarchats muss weiter gearbeitet werden!

Ein vielstimmiger und fulminanter Abend mit eindrucksvoller Soundgestaltung von Christina CHRA Nemetz, bei dem nur eine Frage offenbleibt: der oder die Betonmischer? Vielleicht Betonmischy?


Inszenierung: Nina Gühlstorff
Bühne & Kostüm: Prisca Baumann
Musik: CHRA
Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf
Regieassistenz: Linda Fress
Bühnen- und Kostümassistenz: Monika Kovacevic
Mit: Julia Jelinek, Lara Sienczak, CHRA, Dagmar Klopf, Eva Laber, Nadia Trallori, Nicola Schößler

9. und 11. April 2022, 19.30 Uhr
reservierung@werk-x.at
+43/(0)1/535 32 00


Beitragsbild: © Alex Gotter
werk-x.at, www.oeticket.com

[author_box]

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

0 replies on “Der kulturelle Kampf auf dem Frauenkörper”