Gitti geht voran

Erika Pluhar (*1939) hat einen Roman über das Aufwachsen ihrer großen Schwester Brigitte King (*1933), Gitti genannt, geschrieben.

Auch wenn sie über die ersten Lebensjahre dieser Frau nur Anekdoten und Sachinformationen besitzen kann, zeichnet sie mit dem Band gelungene Bilder von Frauen in der Zeit zwischen 1930 und 1955.

Der Erstgeborenen, mit Kindheit im Zweiten Weltkrieg und Nachkriegsjugend im zerbombten Wien, aber auch der Mutter, der Großmütter.

Die brave Gitti ist hin- und hergerissen zwischen Kinderpflicht, eigenen Wünschen, der Vorstellung von typischen Frauenbiografien, mehrfacher Entwurzelung, Prunk und Not. Alles beginnt exotisch mit der Geburt in Brasilien und den ersten Lebensjahren zwischen Strand und Regenzeit. Der Vater, ein Nazi, wie im Text so unverblümt ausgesprochen wird, nimmt Frau und Kind nach München mit, dann geht es nach Wien, dann ins besetzte Polen nach Lemberg, um dem NS-Gouverneur zu assistieren.

Dann zieht der Vater in den Krieg und die Mutter schlägt sich zwischen dem bombardierten Wien und dem Exil im Dorf Pfaffstätt in Oberösterreich durch. Sie hält sich und inzwischen drei Töchter am Leben. Gitti hilft wo sie kann, sagt nicht Nein, wenn man etwas von ihr erwartet, steckt zurück. Das Buch endet, als Brigitte mit 16 Jahren so etwas wie eine Befreiung durch die frühe Ehe mit dem Fotografen Roland Pleterski erlebt und 1953 nach New York geht. Man spürt die Liebe und Bewunderung der Autorin für die Person, die sie beschreibt. Sie wahrt dennoch genug Distanz, um das Buch auch für Nicht-Schwestern zur berührenden Lektüre zu machen.


Gitti
Von Erika Pluhar
Residenz Verlag
224 Seiten
25,95 Euro


© Beitragsbild: Christina Häusler

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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