Rote Wurzeln

Wilhelmine Goldmann, Absolventin der Hochschule für Welthandel, langjährige Mitarbeiterin der Arbeiterkammer und danach viele Jahre Managerin in der ÖIAG, bei der Postbus und in der ÖBB Personenverkehr AG, legt mit „Rote Banditen“ eine sozialdemokratische Familiengeschichte vor.

Es ist ihr ein Anliegen – bis zurück zu ihren Großeltern – die großen Entwicklungslinien einer politischen und gesellschaftlichen Bewegung anhand der eigenen familiären Wurzeln nachzuzeichnen.

Und die verhärteten Fronten zwischen „Bürgerlichen“ und „Sozis“, die bis heute nachwirken, zu beleuchten.

Sie versucht eine historische Klärung und arbeitet sich bis zur Analyse der aktuellen Krisen der Sozialdemokratie vor. Hier spart sie nicht mit Kritik. Sie beruft sich mehrfach auf Hans Kelsen, (auch Bundespräsident van der Bellen würdigte in der Vergangenheit „die Schönheit seiner Verfassung“). Kelsen verortete den Sinn der Demokratie nicht im Recht der Mehrheit zu herrschen, sondern im Schutz der Minderheiten.

Goldmanns Vater war Buchdrucker und später Bürgermeister in Traisen (NÖ). Aus Franz Lettners Memoiren zitiert sie immer wieder. Ihre Mutter, ebenfalls aus ärmlichen Verhältnissen, war später Prokuristin eines Industriebetriebs – beide lebenslang überzeugte Sozialdemokrat:innen. Viel darüber geredet haben beide nicht.

Die Ausbildungsjahre als Mädchen und junge Frau waren für Wilhelmine Lettner, die jüngere Tochter, gleichermaßen geprägt von übriggebliebenen Nazis und einem sozialdemokratischen Bildungsideal. Sie begann nach dem Studium in der frisch gegründeten Arbeiterkammer und war als Managerin immer wieder politischem Gegenwind ausgesetzt. Gerade aus der Perspektive der rot regierten Bundeshauptstadt und nach drei Filmen über einen ehemaligen türkisen Kanzler ist es hilfreich und wohltuend, sich mit dieser Lektüre zu verdeutlichen, dass die Arbeiter:innenbewegung gerade auch in den Industriegebieten ihren Ausgang nahm. Und dies in unmittelbarem Nebeneinander mit der katholischen Kirche und der Bauernschaft.

Wilhelmine Goldmanns historischen Verdienste verdienen Würdigung, ermöglichte sie doch den sozialen Aufstieg aus bitterer Armut mit und beendete ein Stück weit das Verschicken von Kindern, die sich als Knechte und Mägde, Dienstmädchen und Hausburschen verdingen mussten. Von den Kreisky-Reformen profitierten gerade Frauen – mehrfach und immer noch.


Rote Banditen. Geschichte einer sozialdemokratischen Familie
von Wilhelmine Goldmann
mit einem Nachwort von Ferdinand Lacina

ProMedia Verlag
240 Seiten
25  Euro

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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