Die grosse Show in der Pension Europa

Nicht immer ist es angenehm, den Spiegel vorgehalten zu bekommen.
Das aktionstheater ensemble ist gleich mit zwei Stücken zurück im Werk X.


Die kriegs- und krisenbedingten Umbrüchen veranlassen Theatermacher Martin Gruber und sein preisgekröntes aktionstheater ensemble zum Jahresauftakt zu einer zweiteilige Theater- und Musikperformance: Die Uraufführung „Die große Show“ und die Neuinszenierung von „Pension Europa 01“ werden in einen Theater-Abend verpackt und stehen doch auch beide für sich. Der gemeinsame Nenner kristallisiert sich bald heraus: Wahrgenommen und gesehen zu werden, ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis.

Gruber, bekannt dafür, die Gegenwart besonders schnell in seinen Stücken zu reflektieren und den Finger auf die Wunde zu legen, treibt das Thema auf die Spitze. Er reißt bestehende Stücke aus dem Kontext, deutet und besetzt sie neu und fügt sie zur Tragikomödie „Die große Pension Europa Show“ zusammen. Mit dabei sein 16-köpfiges Theater- und Musik-Ensemble, stets bereit, an seine Grenzen zu gehen. „Das verzweifelte Ringen um ein Miteinander scheint zu scheitern. Jeder schreit nach Deutungshoheit. Diesem Phänomen versuchen wir theatralisch auf den Grund zu gehen“, erläutert Martin Gruber seinen schonungslosen Blick auf die vielfältigen gesellschaftliche Fehlentwicklungen der Gegenwart.

Im 1. Teil PENSION EUROPA kämpft das Ensemble, welches nicht einem Handlungsstrang, sondern der Struktur eines Bewusstseinsstroms folgt, um sein Plätzchen im großen europäischen Ganzen: Wann wird das Persönliche oder das Banale politisch? Wieviel Ignoranz oder Selbstlüge ist nötig, dass es mir, trotz widriger äußerer Umstände, gutgeht? Wo bleibt noch Platz für meine Selbstoptimierung? Wo fühle ich mich wohl? Warum eigentlich werde ich nicht wahrgenommen, und was geht mich der Krieg an?

Ob „original” Deutsche, Österreicher oder Israelin, ob queer oder hetero: gnadenlos unkorrekt oder doch um ein gedeihliches Miteinander bemüht, und ohne jede Rücksicht, um einen Platz in der Gesellschaft. Sängerin Aisha Eisa ergänzt den Text in "Pension Europa 01" mit ihrem tief ergreifenden Gesang und die Live-Band, die mitten auf der Bühne platziert ist, verdichtet die Aufführung kongenial. Sie alle wollen wahrgenommen werden.

Im 2. Teil findet dann die DIE GROSSE SHOW  statt. Da ist der junge Magier Raphael Macho, der mit seinen Zaubertricks verträumt und zukunftsgläubig die Welt zu einem besseren Ort machen möchte. Zum anderen ist da die 60-jährige Babett Arens, die meint, in ihrem Leben alles richtig gemacht zu haben. Angesichts der Tatsache, dass aber trotzdem irgendwie „alles hoffnungslos“ ist, will sie es bei ihrem runden Geburtstag noch einmal so richtig krachen lassen und blickt dabei tief ins Glas.

Des Weiteren kämpft die nur im ersten Anschein glamouröse Michaela Bilgeri gnadenlos und ohne jede Rücksicht um einen Platz in der Gesellschaft und ist stets bestrebt, im guten Licht dazustehen. Als der Autor und wortgewaltige Poetry Slammer Elias Hirschl auf die Bühne kommt, um in einem brennenden Plädoyer für das Blutspenden und somit für gelebte Solidarität zu werben, werden die beiden Damen zumindest für kurze Zeit still, um sich kurz darauf wieder in den Vordergrund zu spielen. Ja, sie alle wollen wahrgenommen werden.

Konzept/Inszenierung: Martin Gruber | Text: Martin Gruber und aktionstheater ensemble sowie Claudia Tondl, Elias Hirschl | Dramaturgie: Martin Ojster | Bühne, Kostüm: Valerie Lutz |   Regieassistenz: Michaela Prendl | Live-Musik: Dominik Essletzbichler, Christian Musser, Daniel Neuhauser, Gidon Oechsner, Daniel Schober, Pete Simpson

Darsteller:innen Pension Europa 01: Michaela Bilgeri, Aisha Eisa, Isabella Jeschke, Kirstin Schwab, Tamara Stern, Benjamin Vanyek
Darsteller:innen Die große Show: Babett Arens, Michaela Bilgeri, Isabella Jeschke, Elias Hirschl, Raphael Macho, Benjamin Vanyek


Weitere Vorstellungen:
Fr. 13. Jänner 19:30 Uhr: Pension Europa 01 + Die große Show
Sa. 14. Jänner 19:30 Uhr: Pension Europa 01 + Die große Show

Karten:
WERK X
Oswaldgasse 35 A
1120 Wien

Nini schreibt, fotografiert und bloggt digital.
Mag aber auch analog noch immer.

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