Vom Kompass der Tiere, dem Wissen der Fische und der tragischen Relevanz der Wale

© Jonas Verstuyft/unsplash

Alle drei Sachbücher wurden in einem Paket geliefert und so sollen sie auch besprochen werden. Wer auch nur eines von ihnen liest, wird es schwer haben, das Kinn weiter hochzurecken und die „Krone der Schöpfung“ fest auf dem Kopf zu behalten. Intelligenz, Empfindsamkeit, Planung, Kultur, Gespür, Präzision, Werkzeuggebrauch, Sozialverhalten, Intelligenz ... alles das zeigen Menschen. Aber sie haben es nicht für sich gepachtet. Immer mehr wird über Wissen und die Wahrnehmung von (Wasser-)Tieren herausgefunden, ganz viel wissen wir noch nicht. Vieles droht zu verschwinden, bevor es entschlüsselt wird. Was alle drei Bücher gemeinsam haben: einen sachkundigen, begeisterten Autor, der beides über die Rampe bringt: 50 Seiten Anhang mit Anmerkungen, Zitaten und Verzeichnissen und die programmatische Ausrichtung des mare Verlags.

MadameWien hat eine Schwäche für Wale und deshalb sei mit „Leviathan oder Der Wal. Auf der Suche nach dem mythischen Tier der Tiefe" von Philip Hoare begonnen. Er hat eine Kulturgeschichte von Walen und Menschen verfasst, mit vielen walspezifischen Stationen und Melvilles „Moby Dick“ als rotem Faden. Der Titel klingt nach eingeschlafenen Füßen und Kulturgeschichte. Doch das Taschenbuch ist eine 522 Seiten-Wucht, ein Pottwal in Buchform: geschickt, facettenreich und mächtig. Faktengeladen, in alle Richtungen ausgreifend, aber nicht überbordend. Es ist preiswürdig, tieftraurig, grausam, wundervoll, mystisch und voller interessanter Details. Ihre ungeheure Nützlichkeit und ihre sozialen Bande wurden ihnen beinahe zum Verhängnis. Vor dem industrialisierten Walfang wurden sie auch ihren Schlächtern zum Verhängnis. Nach 250 Jahren Tragik keimt etwas Hoffnung auf und immer wieder reizt das Werk zum Grinsen. Schlagen Sie doch selbst nach, was ‘Ambra' wirklich ist und was ein ‘he’s-at-home‘.

Von den Walen, die ja keine Fische sind, zu den echten Fischen, mit denen sie den Lebensraum teilen. Stumm, stumpf und ohne Schmerzempfinden? Alles nicht wahr. Jonathan Balcombe zerpflückt in „Was Fische wissen. Wie sie lieben, spielen, planen: unsere Verwandten unter Wasser“ kapitelweise sämtliche Vorurteile. Und er bringt es bis zu Belegen von Kooperation, Demokratie und Friedensarbeit unter Fischen. Ein wortgewandtes Plädoyer für mehr Achtsamkeit für das Leben unter Wasser. Aquariumsfische, die genau wissen, wer sie füttert? Fische, die sich gerne streicheln lassen und im Lauf des Lebens ihr Geschlecht umwandeln? Die sich in Schwärmen wie von Geisterhand akkordieren. Strom erzeugen und wahrnehmen können? Balcombe möchte erreichen, dass wir alle Mit-Lebewesen gleich gut behandeln, ob sie nun Beine oder Flossen haben. Und er macht das gut.

David Barrie hat wiederum ein ganzes Buch zu den Orientierungsfähigkeiten von Tieren geschrieben. Fische kommen vor, aber auch Tauben, Mistkäfer, Bienen und Schildkröten. „Unglaubliche Reisen. Vom inneren Kompass der Tiere“ beleuchtet die bekannten Leistungen, die schwierige Erforschung und die anekdotische Evidenz gleichermaßen. Ganz ohne GPS und Handy finden Tiere mit Hufen, Beinen, Flügeln und Flossen nach Hause, an ihren Geburtsort, zum Futter oder zu ihrem Winterquartier. Tagsüber, nachts, im Wasser, in der Luft. Man kommt sich als Mensch, der beständig in sein Handy starrt, um den Alltag zu bewältigen, richtig unbeholfen vor. Drei großartige Naturdokumentationen zwischen Buchdeckeln.

Leviathan oder Der Wal.
Auf der Suche nach dem mythischen Tier der Tiefe 

von Philip Hoare
mare Verlag 2020 (kartoniert)
522 Seiten
18,50 Euro

Was Fische wissen.
Wie sie lieben, spielen, planen: unsere Verwandten unter Wasser.
von Jonathan Balcombe
mare Verlag 2020 (gebunden)
336 Seiten
28,80 Euro

Unglaubliche Reisen.
Vom inneren Kompass der Tiere.

von David Barrie
mare Verlag 2020 (Hardcover)
368 Seiten
26,80 Euro

Beitragsbild: © Michael Blum

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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