Tradition zwischen Thunfisch und Tragik

Gerade als die Frage aufkommt, ob die erste weibliche Raís der Insel Katria (heute Favignana) neben Autorität und Ehrerbietung in ihrem jungen Leben nicht auch Nähe und Auszeiten brauchen würde, lösen sich jahrhundertealte Traditionen im Mittelmeer auf.

Germana Fabiano beschreibt, wie die letztgeborene Enkelin 1960 in die großen Fußstapfen des Großvaters steigt. Der Raís leitet die traditionelle Thunfischjagd, die Mattanza (wörtlich das Abschlachten) vor den Küsten Siziliens und Sardiniens.

Er spürt das Meer und die Schwärme, er sagt, wann das Netz in der „Kammer des Todes“ gehoben wird, mitten in den peitschenden Wellen, er kennt die Rituale. Er liefert an den Conte, der günstig einkauft, die Verarbeitung übernimmt und richtig gutes Geld macht.

Enkelin Eleonora wird den vielen Erwartungen gerecht, arbeitet hart und nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Doch obwohl sie alles richtig macht, bleibt der Thunfisch irgendwann aus und die Schutzsuchenden werden angeschwemmt. Germana Fabbiano beschreibt reduziert und eindringlich. Der Wirt, der Lehrer, die Unverschämte – wenige Charaktere und Orte genügen für ein dichtes Bild der Inselatmosphäre und der Veränderungen, die von außen in die überschaubare Lebenswelt eindringen. Das letzte Kapitel spielt 2012 – eine lesenswerte Zeitreise.


Mattanza
von Germana Fabiano
übersetzt von Barbara Neeb und Katharina Schmidt
Mare Verlag
192 Seiten
24,50 Euro


Beitragsbild: © Verena Müller

Astrid ist Wienerin, Working Mum, Wählerin, wählerisch, mag Menschen, Worte und Wale.

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